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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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voneinander getrennt wurden. Der Wind strich durch die rundlichen, kurzen Kiefern und trocknete immer wieder die Spucke, mit der ich meine Lippen befeuchtete. Wir badeten die Pferde in Flüssen und ruhten unter den zitternden Espenblättern eines Wäldchens.
    Ich saß im Gras, träumte und atmete die Freiheit in genüsslichen langsamen Zügen. Meine Blicke gingen ins Leere, in mein Inneres, das seit diesen Tagen in der Wildnis friedlich geworden war. Im Schritt durchstreiften wir Birkenhaine und führten die Pferde durch breite Kiesbette. Einmal auf dem Rückweg zur Ranch entdeckte ich auf einem abgestorbenen Ast eine Eule. Ich beobachtete sie lange, es war mir ein Rätsel, wie das Tier hierhergefunden hatte. Wie auch immer, mir schien, es war ein gutes Zeichen.
    Wir galoppierten nach meinem Geschmack viel zu wenig und nicht schnell genug. Aber am letzten Tag durften wir zu Pferd als kleine Übung aus einer Herde Rinder die Kälber aussortieren. Es war erstaunlich, wie Aspen auf die bockigen Viecher reagierte: mit so einer Coolness und Abgebrühtheit, dass er sich seitlich gegen den gehörnten Kopf der Rinder stellte und blitzschnell vom Stand in den Renngalopp überging, wenn das Kalb entkam, als sei er eine Katze und spiele mit einer Maus. Mit abgesenkter Hinterhand rutschte er mit einer Vollbremsung über den Sand und blieb bei all diesen Aktionen seelenruhig.
    Bayard erkannte, dass ich dabei richtig aufblühte, ich muss übers ganze Gesicht gestrahlt haben. Er meinte, er habe mich das erste Mal in diesen Tagen lachend gesehen. In dem Moment hätte ich tatsächlich weinen können vor Glück. Der Geruch der schwitzenden Rinder und Pferde, die Sonne im aufgewühlten Sand, die Mähne meines Pferdes, nach süßem Leder duftend – und ich in einem tiefen Sattel sitzend, die Zügel in meiner linken Hand und meine Rechte locker auf meinem Oberschenkel ruhend. Ich fragte mich, wie weit ich noch würde gehen müssen, bis ich dies zu meiner Lebensaufgabe würde machen können. Farmer wollte ich werden. Ich sah mir die sich im Kreis bewegenden Rinder noch mal an und strich dem in der Sonne dösenden Aspen über den breiten Hals, dieser Moment war meine Erfüllung.

15
    Ic h warte vor dem Haus auf Jims Truck. Pünktlich um sechs Uhr früh schleicht der Wagen die Straße hoch. Ich steige ein. Auf der Fußmatte liegen Eisenketten, und die stoffbezogenen Polster sind ölverschmiert. Ein Pappbecher steht auf dem Sitz, er riecht nach frischem Kaffee. Wir fahren wieder in die Nähe von Bridgewater.
    Jim zweifelt daran, bei dem Wetter einen Elch zu sehen. Doch da wir nun mitten im Wald sind, steigen wir aus. Wie am Tag zuvor streifen wir durchs Gehölz.
    In den Baumwipfeln hängen die Nebelschwaden tief wie eine Zimmerdecke. Die schwarzen Stämme der Bäume ächzen von der Kälte, ein eisiger Wind pfeift. Wir finden frische Spuren im Laub. Hier muss vor wenigen Stunden ein Elch durchmarschiert sein, da der hinterlassene Kot noch schokobraun glänzt. An einem Stamm der jungen, uns umgebenden Bäume, ist die Rinde abgeschabt, hier hat ein Bulle sein Geweih gewetzt und sich den Kopf gekratzt. An anderen Stellen ist die Rinde wie die dünne Pelle einer Mandarine abgezogen – nur davon und von Blättern ernähren sich diese Tiere, die doppelt so schwer wie ein Pferd werden können. Wir bewegen uns weiter, das Gehölz ist einem Morast gewichen, der uns nur mühsam vorankommen lässt. Der Elch mag es, zu dieser Jahreszeit mit den Beinen im Wasser zu stehen, und so scheinen wir ihm auf den Fersen zu sein. Doch die Spuren verlieren sich, und die Abdrücke im Schlamm verschwinden in einer großen aufgestauten Pfütze, an der wir schließlich stehen bleiben. Es ist totenstill, die kahlen Bäume ragen bizarr in die weißverschleierte Nebeldecke. Weit und breit kein Tier.
    Wir stiefeln weiter, bis mich Jim nach einigen Stunden zu einer Hütte führt. Er nennt sie »Camp«. Das »Camp« ist ein Haus, das nur aus Wellblech besteht. Wie ein A mit Schornstein und zwei Fenstern steht der Unterschlupf mitten im Wald an einem schmalen Zuweg. Wir sind völlig durchfroren und durchnässt. Innen aber heizt der Ofen, und in tiefen Sesseln mit gestreiften Polstern sitzen zwei Männer. Ich bin erstaunt. Doch sie wirken, als hätten sie hier übernachtet, als würden sie das öfter tun, einfach um dieses Abenteuer wie kleine Jungs zu leben. Den einen stellt mir Jim als seinen Vater vor, der andere ist Postbote in Bridgewater. An den eingezogenen Wänden

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