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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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Horses Spanisch. Und wenn ich später mit den Mexikanern auf der Auktion um ein gutes Pferd verhandeln müsste, sollte ich besser ein paar Worte Spanisch können. Meine Eltern waren damit einverstanden. Meine Mutter ermutigte mich sogar, und sie sagte mir, dass Spanisch zu sprechen zu mir passen würde.
    Ich wohnte bei einer Frau Anfang dreißig und hatte ein Zimmer in ihrer Wohnung, in dem es so heiß war, dass meine Fettsalbe schmolz. Das Bett war mehr eine Pritsche, und an den gestrichenen Putzwänden hing kein Bild. Der einzige Stuhl war hart, das einzige Fenster ging in den Innenhof, in dem es nichts zu sehen gab. Aber ich hatte immerhin einen Schreibtisch, an dem ich allabendlich meine Notizen schreiben konnte. Tagsüber herrschten Temperaturen von 48 Grad, und nachts kühlte es auf höchstens 38 Grad ab.
    Wenn ich morgens, umgeben von einem Plastikvorhang, unter der Dusche stand, traten die blauen Adern unter meiner Haut wie Kordeln hinvor. Emotionslos blickte ich an meinem Körper hinab – er bedeutete mir gar nichts mehr.
    Tagsüber ging ich durch das sonnendurchflutete Sevilla. Glocken schlugen Stunde für Stunde. Die stumme Hitze lag träge auf den gepflasterten Wegen. Das Absinthgrün der Zitronenbaumblätter, das Blau des Himmels, die weißen und gelben Hausfassaden – alles vermischte sich zu einer prächtigen Farbpalette, die mich an van Gogh erinnerte. Eine Stille und Vollkommenheit herrschten an diesen Orten, ich konnte die Schönheit in meiner kranken Seele kaum ertragen.
    Die Spanier zeigten sich hilfsbereit, lachten viel und legten dabei oft schlechte oder goldene Zähne frei, und sie konnten geduldig warten. Die Sprache allerdings war zum Verzweifeln. Die Spanischstunden waren auch deshalb unerträglich, weil die Klassenzimmer auf 17 Grad runtergekühlt wurden und es so kalt war, dass ich schlotterte.
    Mittags ging ich durch die Einkaufsstraßen, die Supermärkte, die Parks. Eine Amerikanerin schloss sich mir an – ausgerechnet. Sie träumte von einem weißen Grand Cherokee Jeep und einem Swimmingpool im Garten, genau wie die Mädchen auf der Vermont Academy, und sie beging Europa wie ein Museum. Nun, ich war froh, überhaupt Anschluss zu haben, und sie wiederum war sehr viel kontaktfreudiger als ich. Nur über sie lernte ich wieder andere kennen. Mit ihr schlenderte ich durch die Läden und kaufte Klamotten. »Du bist so schlank«, sagte sie neidisch. »Dir steht einfach alles.«
    Ich kaufte damals Klamotten wie Süßigkeiten, leidenschaftslos und doch mit einer gewissen Gier. Ich war völlig schutzlos, nur der Stoff meiner Kleider umfing mich und schmiegte sich an mich. Ich konnte sowieso anziehen, was ich wollte, mein Körper hatte die Ausstrahlung eines Kleiderständers, an den man alles dranhängen kann. Es ist das Höllische daran, dass man, kaum hat man eine gewisse Dünnheit erreicht, zur Puppe wird. Ich war selbst erstaunt, wie gut mir superkurze Shorts standen, wie die knappen T-Shirts immer noch aussahen, als seien sie eine Nummer zu groß, wie androgyn ich erschien. Was die Amerikanerin aber nicht wusste, war, welchen Preis ich für dieses hohle Kompliment bezahlte. Sie konnte nicht ahnen, wie besessen ich bereits war, wie ich mich danach verzehrte, immer noch weniger sein zu wollen. Sie nährte meinen Ehrgeiz, weiter daran zu arbeiten, mich aufs Minimum zu reduzieren.
    Ergänzend zum Unterricht bot die Schule Ausflüge in die Umgebung an. In Gruppen besichtigten wir Paläste und Gärten im Umland, verteilten uns in kleinen Dörfern und versuchten in den Gaststätten auf Spanisch zu bestellen. Obwohl mich die Ausflüge körperlich anstrengten, boten sie mir die Möglichkeit, aus der Stadt zu kommen. Doch leider erinnere ich dieses schöne Umland Sevillas nur bedingt, da etwas passierte, was alles überschattete. Ich erinnere mich nämlich nur an die geisterhafte Erscheinung einer völlig abgemagerten Frau. Sie war Teil der Gruppe, die sich für einen dieser Ausflüge angemeldet hatte, und stieg vor meinen Augen aus dem Reisebus. Ich muss sie unentwegt angestarrt haben. Sie sah aus wie die KZ-Häftlinge auf den grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotos der Geschichtsbücher über den Zweiten Weltkrieg. Sie bestand aus Haut, Knochen und strohigen, blonden Haaren. Sie trank Cola light, und beim Gehen sah man, wie sich die Knochen in ihren Gelenken bewegten. Ein grässliches Gefühl beschlich mich. Die Einsicht, dass ich auf dem besten Weg war, so zu werden wie sie, bestürzte mich.

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