Fraeulein Jensen und die Liebe
Namen nennen können. Na ja, da wird sich ja wohl eine auftreiben lassen.
»Pia!«, rufe ich Richtung Sofa und wedele mit dem Schnellhefter. »Ich hab ihn! Die Suche kann beginnen!«
Es wird ein Traum. Ein einziger Traum. Pia und ich klicken uns durch Rockos Homepage, und mir wird noch einmal bewusst, dass er – ich zitiere Pia – eine »echt coole Sau« ist. Er sieht nicht nur bombastisch und ziemlich verwegen aus, sondern er hat auch etwas enorm Lässiges an sich. Himmel, bald werde ich die Freundin eines Rockstars sein. Da eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten.
Ich werde mit ihm auf Tour gehen, schräg hinter der Bühne stehen und ihm mit einem Bier in der Hand und einer Zigarette im Mund – spätestens dann muss ich wirklich mit dem Rauchen anfangen – bei seinem Auftritt zusehen. Wenn er fertig ist, wird er sich von den Fans losreißen, meine Hand nehmen (er wird so fest zugreifen, dass es ein wenig weh tut) und dann mit mir in ein schäbiges Hotelzimmer verschwinden. Alle weiblichen Groupies werden mir feindselig hinterherstarren und sich fragen: Was hat sie, was ich nicht habe?
Rocko und ich werden uns fortan gemeinsam ausleben. Wir werden auf wilde Partys gehen (auch unter der Woche!), in Gummistiefeln matschige Festivals besuchen (wie Kate Moss und Pete Doherty) und offizielle Gala-Empfänge der High Society sprengen, indem wir »Wider den Konsum« in die Menge schreien oder so etwas.
Nach ein paar Jahren werden Rocko und ich sesshaft. Gezwungenermaßen, denn es hat sich Nachwuchs angekündigt. Mein Gott, ob unsere Kinder It-Kinder werden? Ich meine, Kinder von ehemaligen Rockstars sind doch meistens auch total wild und angesagt.
»Meinst du, unsere Tochter wird das deutsche Pendant zu Peaches Geldorf?«, frage ich Pia und muss kichern.
Sie verdreht die Augen und zeigt nur stumm auf eine Telefonnummer, die auf Rockos Seite in einem Kontaktformular angegeben ist. »Aufschreiben und morgen anrufen. Dann sprechen wir auch über Peaches Jensen.«
Ich notiere schnell die Nummer und lade mir noch ein Bild herunter, auf dem Rocko so aussieht, als würde er gerade koksen.
Ich war vor einem Telefonat noch nie so aufgeregt wie vor diesem. Obwohl, einmal habe ich bei der José-Carreras-Gala im ZDF angerufen, um eine Spende für arme Kinder oder so etwas abzugeben. Ich war furchtbar nervös, weil die reale Chance bestand, dass ich zu einem der Promis im Studio durchgestellt werde (die nahmen mit Headset auf dem Kopf die Spenden entgegen). Ich hatte mich schon so darauf gefreut, mit Wolfgang Lippert zu plauschen, dass ich die Spende fast zurückgezogen hätte, als sich ein ARD-Mitarbeiter meldete, der gelangweilt nach meiner Kontonummer fragte.
Aber nein, der Anruf, der jetzt vor mir liegt, toppt sogar das! Vor allem geht es um Rocko und nicht um Lippi!
Zitternd halte ich den Hörer in den Händen und gebe eine Ziffer nach der anderen ein. Es klingelt nur drei Mal, bis jemand abnimmt.
»Hallo?« Am anderen Ende der Leitung krächzt ein Mann in den Hörer. Er klingt, als habe er die Nacht durchgezecht.
»Herr Schamoni?«, flüstere ich.
Der Mann lacht. »Du willst Rocko sprechen? Warum das denn?«
Himmel, wo bin ich da denn gelandet? Schon an dieser Stelle weiß ich, dass ich noch nie so ein cooles Telefongespräch geführt habe.
Gleich muss ich bestimmt ein Kennwort sagen und mir wird Ort und Zeit für ein Treffen durchgegeben – sicher nachts unter einer Brücke. Ich sage brav meinen Spruch »Ich bin Journalistin und würde gerne mit Herrn Schamoni ein Interview führen« auf und habe nach einer Minute eine neue Telefonnummer. »Da meldet sich dann Gereon, sag ihm, dass du Rocko sprechen möchtest.« Der Mann legt mit einem Krächzen auf.
Normalerweise mag ich dieses Geduze nicht. In der Parfümerie vom Alsterhaus habe ich einmal einen hysterischen Anfall bekommen, als mich die Vertreterin von sündhaft teuren Anti-Aging-Cremes fragte: »Darf ich das bei dir mal auftragen?«
Doch das Geduze von dem Unbekannten mit der rauchigen Stimme (sicher ist er gerade erst aufgestanden) ist etwas ganz anderes. Der Mann hat anscheinend sofort gespürt, dass ich bald Rockos neue Freundin sein werde, und mich deswegen gleich geduzt. Natürlich, gute Freunde siezt man doch nicht. Jawohl, jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Es geht in die zweite Runde.
Ich rufe »Gereon« an.
Gereon meldet sich mit »Gereon, hallo?«. (Sehr viel versprechend, die scheinen alle so locker zu sein, juchhu!)
Ich
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