Fraeulein Jensen und die Liebe
hinaus.
Grundgütiger.
Ich kann mein Glück kaum fassen: Traummann Nummer eins ist es. Er ist es! Ich muss gar nicht mehr weitersuchen. Von wegen zehn Traummänner. Pah, ich brauche nur einen! Ich werde mir gleich ein Hotelzimmer suchen und noch eine Nacht bleiben. Morgen geht es dann in die zweite Phase: Ich werde ihn nach der Show wieder treffen und wir vertiefen unser Gespräch. Und arbeiten an dem Namen Kevin Tarte-Jensen. Ich könnte schreien vor Glück!
Vor der Stage Door steht eine Frau und raucht eine Zigarette. Ich muss mein Glück mit jemandem teilen.
»Dieser Vampir, ich meine natürlich Kevin Tarte, also der Schauspieler, kennen Sie den? Also, das ist wirklich, ich habe gerade mit ihm, wahnsinnig, wirklich interessant, ich bin echt sprachlos«, stottere ich.
Sie zieht an ihrer Zigarette und lächelt milde. So als würde es im Minutentakt passieren, dass eine Frau aus der Stage Door torkelt und dann vollkommen benommen von Kevin Tarte schwärmt.
»Ja, er ist wirklich ein toller Mann. Wenn er nur nicht schwul wäre«, sagt sie. Und lacht.
Oberhausen, du wirst also wirklich nicht mein neues Zuhause werden. Es sei denn, ich entscheide mich in diesem Leben wider Erwarten doch noch für eine Geschlechtsumwandlung.
Ich sitze im Zug, wieder an einem Vierertisch. Ich muss an Emma und Anton denken, daran, dass sie meine Zähne im Mund hatten. Wie glücklich sie waren und wie glücklich ich war.
Mir gegenüber sitzen ein Mädchen (ich schätze zwölf) mit Zahnspange und ihre Mutter. Das Mädchen befindet sich in der wunderbaren Lebensphase, in der man Jungs noch doof findet. Vollkommen versunken liest sie in ihrer Zeitschrift Girlfriends – Jungsfreie Zone . Ab und zu lacht sie und liest dann gackernd ihrer Mutter einen Witz vor: »Treffen sich zwei Kerzen. Fragt die eine: Was machst du heute? Sagt die andere: Ich geh aus.«
Ach herrlich. Wenn dieses Mädchen wüsste, dass sie gerade die schönste Zeit in ihrem Leben hat. Sie lacht über harmlose Kerzenwitze und würde wahrscheinlich auf die Frage, ob sie Jungs mag, irgendwas mit »igittigitt« antworten.
Beneidenswert, dieses jungsfreie Leben.
Ob es ein wenig unvermittelt wirken würde, wenn ich jetzt sage: »Halt dich auch in den nächsten Jahrzehnten von männlichen Wesen fern«?
Das Mädchen kichert wieder. Die Zeitschrift muss echt witzig sein.
Ich gebe mir einen Ruck.
»Sag mal, darf ich da auch mal reingucken?«, frage ich.
Das Mädchen wirft ihrer Mutter einen fragenden Blick zu. »Was will diese alte Frau bloß mit meiner Zeitschrift?«, scheint sie zu denken.
Die Mutter nickt mir zu und sagt stellvertretend für ihre Tochter, die mich für immer hassen wird: »Natürlich, hier ist sie.«
»Danke«, sage ich leise und nehme die Zeitschrift.
Ich blättere mich zu der Ratgeberseite durch, so eine gibt’s doch überall. Vielleicht hat eine Leserin zufällig die Frage »Ich habe mich in einen Vampir verliebt, der aber leider schwul ist« gestellt und nun finde ich eine passende Antwort darauf. Komisch, die Frage gibt es nicht. Dafür will Marie, zehn, wissen, wie man in wenigen Schritten am besten ein Pferd zeichnen kann. Und Julia, zwölf, fragt, was man machen kann, wenn man oft pupsen muss.
Nachdem ich mir alle Tipps durchgelesen habe, mache ich noch das »Bist-Du-eine-Hannah-Montana-Filmexpertin?«-Quiz (Ergebnis: »Ups, du hast den Film anscheinend noch nicht gesehen«, wer zum Himmel ist Hannah Montana?) und widme mich danach noch dem »Clevertest« auf der nächsten Seite. Erste Frage: »Du gehst um acht ins Bett und stehst um neun Uhr auf. Wie viele Stunden hast du geschlafen?« Das ist machbar, ich fühle mich gleich viel besser. Ob man sein Alter angeben muss, wenn man sich diese Zeitschrift als Abo bestellt?
Ich gebe dem Mädchen die Zeitschrift zurück und denke an Äste und Zweige und Bäche. Es wird immer eine Lösung geben. Auch für dieses Problem.
2. Rocko Schamoni und Hormonstress im Frühling
Es wird überhaupt keine Lösung geben. Wie denn auch? Er ist schwul. Er ist schwul. Er. Ist. Schwul.
Vier Tage später. Ich bin wieder in Hamburg und denke seit vier Tagen an genau diesen Satz. Ob ich wohl auch noch in ein paar Jahren vollkommen zusammenhangslos »Er ist schwul« vor mich hin murmeln werde? Man wird mich einweisen.
Das darf wirklich nicht wahr sein. Der erste Mann ist ein Traummann. Und schwul. Es ist hoffnungslos.
Pia findet alles gar nicht so schlimm.
Ȇberleg mal, es ist doch nicht
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