Fraeulein Jensen und die Liebe
herrlich analytisch, das kann im Kampf ums große Glück Wunder wirken. Sicher wird Pia auch noch auf ein Phantombild bestehen, das wir dann in den U-Bahn-Schächten verteilen. Es ist sogar noch hell draußen. Wir könnten gleich losgehen. Ach, wie aufregend!
»Ganz ehrlich, Hannah«, sagt Pia. »Ich kann es nicht mehr hören. Jeden Tag erzählst du mir, dass du wieder irgendwo deinen Traummann getroffen hast. Und dass es diesmal ganz bestimmt der Richtige ist.«
Aber wenn es nun mal so ist, will ich gerade kleinlaut einwerfen, doch Pia winkt ab, bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann.
»Irgendwann wirst du mich anrufen und felsenfest davon überzeugt sein, dass Brad Pitt nur dir von der Kinoleinwand zugelächelt hat und ihr füreinander bestimmt seid.« Jetzt sieht Pia mich so an, als wäre sie nicht nur Beraterin in einer Anlaufstelle für Alkoholiker, sondern auch noch für psychisch Kranke.
Deswegen verschweige ich auch besser, dass ich erst letzte Woche im Netz recherchiert habe, wann Brad Pitt das nächste Mal in Deutschland ist. Zwischen ihm und Angelina kriselt es doch gerade ganz gewaltig, wie die Stimme des Volkes, die Gala , ermittelt hat. Na ja, und da ich wirklich glaube, dass Brad und ich – aus »Brangelina« könnte man kinderleicht ein zauberhaftes »Brannah« machen – hervorragend zusammenpassen würden, wollte ich ihm ganz zufällig bei irgendeinem Pressetermin auflauern. Aber nein, ich schweige. Denn Pia sieht gerade so aus, als ob sie mich einweisen würde, wenn ich ihr jetzt von meinem Brad-Pitt-Eroberungsplan erzähle.
Stattdessen höre ich mich flüstern: »Und was heißt das jetzt? Willst du etwa den Kontakt zu mir abbrechen?« Manchmal im Leben ist die Zeit für rhetorische Fragen gekommen. Denn dass Pia den Kontakt zu mir abbricht, nur weil ich nun einmal etwas romantischer bin, ist so wahrscheinlich, wie dass Elvis plötzlich mit gepackten Koffern vor mir steht, anfängt zu sprechen und mir mit erhobener Pfote mitteilt, dass er gerne auswandern möchte, mir aber für alles dankt. Ich muss lachen. Pia ist mein linker Arm. Wie soll sie da den Kontakt zu mir abbrechen?
»Nein, natürlich nicht«, sagt Pia und muss schließlich auch lachen. Ich wusste es: Auf sie ist Verlass. Doch sie wird sofort wieder ernst. »Aber es muss aufhören. Du kannst nicht immer durch die Gegend laufen und dich in Stimmen, Hintern und jetzt auch noch Handschriften verlieben.«
»Die Besitzer von Handschriften«, korrigiere ich.
»Von mir aus auch die Besitzer von Handschriften«, sagt Pia genervt. »Das ändert nichts an der Tatsache, dass damit jetzt Schluss ist. Verstehst du? Aus, vorbei, finito.«
»Und wie lerne ich dann deiner Meinung nach meinen Traummann kennen?« Ich bin ernsthaft gespannt auf Pias Alternativplan.
»Erst einmal darf nicht mehr von Traummännern die Rede sein. Die gibt es nämlich nicht. Aber bitte, ich sag dir, wie es sein wird. Bereit?«
»Bereit«, sage ich und salutiere.
Es folgt: Pias Alternativplan für mein Leben.
»Irgendwann wirst du zu einer Party eingeladen. Der Bruder der Gastgeberin ist da und hat noch ein paar Arbeitskollegen mitgebracht. Ihr steht alle ein wenig gelangweilt herum. Irgendwann kommst du, ganz unspektakulär, mit einem der Herren ins Gespräch und findest ihn: nett. Nur nett, nicht atemberaubend, nicht fantastisch und auch nicht so hinreißend, dass du mich hysterisch vom Klo aus anrufst, um mir zu sagen, dass du gerade den Vater deiner Kinder kennengelernt hast. Nein, du findest ihn nett. Er findet dich nett und nach ein paar Wochen normalem Dating – ihr werdet mal ins Kino gehen oder einfach nur etwas essen – seid ihr zusammen. Einfach so. Genau so wird es passieren. Meine liebe Hannah, einigen wir uns darauf?«
Ich bin sprachlos. Wenn es nach Pia geht, werde ich all meine Träume von den roten Teppichen dieser Welt wie eine Sushi-Rolle einwickeln und jetzt, in diesem Moment, für immer in meinen Magen-Darm-Trakt verfrachten. Auf die Frage »Wie hast du Papa eigentlich kennengelernt?« werde ich später »Ach, da gab es damals so eine langweilige Party« sagen und mich dann wieder um den Abwasch kümmern. Und nachdem ich zum dritten Mal an dem Tag die Waschmaschine vollgemacht habe, werde ich mich vor den Fernseher setzen und zu den Darstellern einer romantischen Telenovela seufzen: »Die Mama hatte auch mal solche Träume.«
Ich bin den Tränen nah. »Und mein Versace-Kleid kann ich wohl gleich in den Altkleiderbehälter stecken,
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