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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Oder nicht? Und wenn nicht...
    Greg schaute mich überrascht an.
»Indianermädchen, ist dir nicht wohl?«
    »Nein. Das heißt, doch. Diese ganze
Sache ist so — « Ich machte eine hilflose Geste und ging zur Tür. Auf der Diele
der Wohnung überkamen mich plötzlich die Tränen, und um sie zu verbergen,
bückte ich mich und untersuchte die Lebensmittel, die auf dem Boden verstreut
lagen.
    »Sieht ganz so aus, als ob sie vom Einkaufen
zurückgekommen wäre und ihren Mörder überrascht hätte«, sagte Greg.
    Ein Kassenbon mit dem Aufdruck des
Lebensmittelladens ›Albatros‹ lag unter den Äpfeln, Orangen und zerbrochenen
Eiern. Ich deutete darauf. »Das ist der Laden in unserer Straße, ein paar
Häuser von hier. Die Preise sind so unverschämt, daß ich dort nicht mehr oft
einkaufe, höchstens wenn ich im Supermarkt etwas vergessen habe. Aber Molly
besaß keinen Wagen, und ich nehme an, sie hat meistens dort eingekauft.«
    Greg brummte. »Das ist die Zwangslage
der armen Städter. Sie sind gezwungen, Wucherpreise zu bezahlen, der
Bequemlichkeit halber.«
    »Greg, ich glaube kaum, daß dein
Tante-Emma-Laden genügend Umsatz macht, daß er die Supermärkte unterbieten
könnte.« Ich stocherte vorsichtig nach dem Paket mit tiefgefrorenen Bohnen. Auf
der Packung glänzten Wasserperlen, der Inhalt noch nicht aufgetaut.
    »Habt ihr schon eine Ahnung vom
Zeitpunkt des Todes?« Ich richtete mich auf.
    »Nur eine ungefähre Zeitspanne. Nach
sechs Uhr abends, aber noch vor zehn. Wenn das Ergebnis der Autopsie vorliegt,
werden wir es genauer wissen.«
    »Gibst du mir Bescheid?«
    »Klar. Aber warum interessiert dich
das?«
    »Sagen wir, weil der Blitz diesmal sehr
in der Nähe eingeschlagen hat.«
    »Ich verstehe. Ruf mich doch morgen
nachmittag an.« Mit herausforderndem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Das gibt
mir die Möglichkeit, dir weiterhin den Hof zu machen.«
    Ich schnitt eine Grimasse und ging
hinaus. Seine Stimme rief mich zurück.
    »Was ist das für ein Geräusch?«
    Ein leises Wimmern, noch überlagert von
der Geschäftigkeit rings um uns, drang aus dem Wohnzimmer.
    »O Gott!« rief ich. »Das ist Watney.«
    »Watney?«
    »Mollys Katze.« Ich ging zurück und zog
den kräftigen, schwarz-weißen Kater unter dem Sofa hervor, wobei ich mir für
meine Mühe einen langen Kratzer einhandelte. Aber sobald ich ihn befreit hatte,
schmiegte sich der Kater in meinen Arm und steckte den Kopf in die Höhlung des
Ellbogens. »Ich glaube, ich nehme ihn mit in meine Wohnung.« .
    Greg nickte. »Wir sprechen uns später.«
    Ich trug das Tier die Treppe hinunter,
durch die gaffende Menge, und hatte Mühe, den Kater im Arm zu halten, während
ich nach meinem Schlüssel kramte, und die Tür aufsperrte. Drinnen ließ ich ihn
los, und er huschte hinüber in den Wohnraum.
    Ich folgte ihm und schaltete beim
Eintreten eine Stehlampe ein. Im Bett am Fenster meines Wohnzimmers lag eine
zusammengerollte weibliche Gestalt mit weizenblondem Haar: Meine Freundin,
Linnea Carraway. Auf dem Boden neben ihr stand eine leere Weinflasche, und der
süße Geruch von abgestandenem Sauternes lag in der Luft. Linnea selbst war es,
die diesen Duft ausströmte.
    Sie war nicht nur total betrunken
eingeschlafen, sondern lag obendrein auch noch in meinem Bett!
    Mich überlief eine plötzliche Welle von
Zorn und Verärgerung; ich legte meine Hand auf Linneas Schulter und rüttelte
sie. Sie reagierte nicht.
    Beunruhigt fühlte ich ihren Puls. Er
pochte kräftig und gleichmäßig. Linnea stand lediglich unter der Wirkung von
fast zwei Litern billigen Weins.
    Ich ließ ihren Arm los und widerstand
dem Bedürfnis, sie zu zwicken. Die Stereoanlage war noch eingeschaltet; aus den
Lautsprechern drang leises Knacken. Ich schaltete das Gerät ab und warf einen
Blick auf Watney, der den Schlafsack auf dem Boden inspizierte, in dem Linnea
eigentlich hätte liegen sollen.
    Als er bemerkte, daß ich ihn
beobachtete, machte sich der Kater ganz flach und verschwand unter dem Bett.
Ich entschloß mich, ihn gewähren zu lassen und mich selbst schlafen zu legen.
Nachdem ich mich ausgezogen hatte und in den Schlafsack gekrochen war,
versuchte ich mir einzureden, ich sei auf einem Camping-Ausflug. Doch dann
plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich stand auf und ging zum Couchtisch hinüber.
    Das Stück Vorhangschnur war
verschwunden.
     
     
     

Kapitel
2
     
    Ich überquerte die Straße zum Lebensmittelladen;
die Morgensonne wärmte mir die Schultern, aber ich fühlte mich

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