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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Polizei zulassen, daß
eine hübsche, junge Frau wie Sie eine so entsetzliche Szene betrachten muß?«
Wieder schwang die typische Ironie in seinen Worten mit.
    »Durch meinen Beruf bin ich härter
geworden, als ich aussehe. Ich bin Privatdetektiv und arbeite bei der All Souls
Legal Cooperative.«
    »Sie sind Detektiv?« Etwas flackerte
auf in den Tiefen der Augen des Lebensmittelhändlers, und seine fast
wimpernlosen Augenlider senkten sich und verliehen seinem Gesicht den Ausdruck
eines Reptils.
    »Sie haben recht gehört.« Ich
beobachtete ihn scharf.
    »Das habe ich nicht gewußt.« Er stellte
seinen Kaffeebecher unberührt auf die Theke und begann damit, ein paar Bürsten
zu ordnen, die von einem Regal neben ihm herunterhingen. Oben auf dem Regal war
ein Schild angebracht, auf dem stand: Diese Produkte wurden im
Sunrise-Blindenzentrum hergestellt. Helfen Sie, damit sich die Blinden selbst
helfen können.
    »In den Frühnachrichten wurde gemeldet,
ein Einbrecher ist in Mrs. Antonios Wohnung eingedrungen und hat sie
umgebracht«, fuhr Mr. Moe dann fort. »Was kann sie besessen haben, das einen
Einbruch wert gewesen wäre?«
    Das war also die Geschichte, die die
Polizei der Presse aufgetischt hatte! »Ich glaube, da gab es nicht viel zum
Stehlen«, sagte ich. »Haben Sie Mrs. Antonio gut gekannt?«
    »Ich kannte sie wie viele andere. Es
gibt eine Menge älterer Frauen wie diese Mrs. Antonio hier in der Umgebung. Sie
kommen täglich in mein Geschäft. Ich löse ihre Wohlfahrtsmarken ein und gebe
ihnen auch mal am Monatsende Kredit. Wir sind so gut befreundet, wie das in
dieser Gegend möglich ist.« Mit einer vagen Geste meinte er wohl das
Missionsviertel, vielleicht sogar ganz San Francisco.
    Ich fragte: »Wann ist Molly gestern
abend hiergewesen?«
    Er warf einen vorsichtigen Blick aüf
mich. »Warum glauben Sie, daß sie hiergewesen ist?«
    »Sie hat ihre Einkaufstüte
fallengelassen, als sie von dem Eindringling angegriffen wurde. Und ich habe
Ihren Kassenbon in der Tüte erkannt.«
    »Ich verstehe. Ja.« Er ließ von den
Bürsten ab und wandte sich mir zu. Dabei verschränkte er die Arme über der
weißbeschürzten Brust. »Miss McCone, ich wollte Ihnen keine Unwahrheit
auftischen. Aber ich mache mir Sorgen um mein Geschäft. Daß sie hier war,
unmittelbar bevor sie umgebracht wurde...«
    »Sie sagen, unmittelbar bevor sie
umgebracht wurde. Woher wissen Sie denn, wann Molly gestorben ist?«
    Seine Zunge schoß plötzlich vor und
fuhr über seine trockenen Lippen. »Das war so eine Redensart. Minuten oder
Stunden — wo ist da der Unterschied?«
    »Es könnte sehr wichtig sein.
Möglicherweise waren Sie, abgesehen vom Täter, der letzte Mensch, der sie
lebend gesehen hat. Um welche Zeit war sie hier bei Ihnen?«
    »Vielleicht gegen sieben. Ich habe
nicht auf die Uhr gesehen.«
    »Wie ist sie Ihnen vorgekommen? War sie
bei guter Laune?«
    »Sie war so wie nachmittags.«
    »Nachmittags?«
    »Ja. Sie hat um fünf schon mal
vorbeigeschaut und mich gebeten, Gus auszurichten, daß er noch kurz bei ihr
vorbeikommen soll, nachdem er Sebastian, den blinden Bürstenbinder, hier
hergeführt hat. Sie wollte auch Sebastian sehen, bevor Gus ihn ins
Blindenzentrum zurückbringt.« Mr. Moe deutete auf das Regal. Sebastian, der
Bürstenbinder, wohnte im Sunrise-Blindenzentrum, nur ein paar Blocks von hier
entfernt. An der Hand von Mollys Mann Gus machte er seine Runde durch die
Umgebung und füllte die Verkaufsregale in verschiedenen Läden wieder auf. Das
Zentrum bezahlte Gus dafür eine geringe Entschädigung.
    »Okay. Und wie war sie um fünf?«
    »Aufgeregt. Unruhig. Ich habe sie
gefragt, ob was nicht in Ordnung ist.«
    »Und?«
    »Sie hat gelacht und so getan, als ob
es nichts wäre. Sie sagte, ihre Wahrsagerin hätte ihr etwas Schlimmes
prophezeit.«
    »Ihre Wahrsagerin? Was heißt das, um
alles in der Welt?«
    »Mrs. Antonio ging wie viele von den
etwas verrückten älteren Frauen in der Gegend einmal wöchentlich zu einer
Wahrsagerin. Sie hat das sehr ernst genommen.«
    »Du meine Güte! Und wer ist diese
Wahrsagerin?«
    Der Lebensmittelhändler zögerte.
»Wahrsagerei ist illegal hier, also treten die Wahrsagerinnen nicht unter ihrem
richtigen Namen auf. Sie machen Werbung mit Handzetteln und durch Mundreklame,
und sie nennen sich ›Madame Soundso‹.« Die Stadt ist voll von Propheten und
Wunderheilern.«
    »Und Sie wissen nicht, zu welcher
Wahrsagerin Molly gegangen ist?«
    Wieder zögerte er. Ich fühlte genau,
daß

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