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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ich wirklich mehr als genug
davon.« Er hatte sie mir auf die Türschwelle gelegt, und ich entdeckte sie, als
ich nach der Arbeit heimkam.
    »Hast du schon alles vernascht?«
    »Ja, also...«
    »Hör zu, Indianermädchen, ich schlage
vor, du gehst jetzt in den Delikatessenladen neben deiner Firma und besorgst
uns dort ein paar Dosen Bier und Sandwiches. Dann kommst du hierher und
befreist mich von meinem Papierkram.«
    Ich seufzte. Es war tatsächlich ein
wunderbarer Tag, und Greg hatte recht, das Wetter konnte nicht mehr lange
halten. »Okay. Und wann?«
    »Kannst du noch bis ein Uhr warten? Bis
dahin habe ich das Ergebnis der Autopsie im Fall Antonio.«
    Das war glatte Bestechung. Ich stimmte
zu und legte auf.
    Da ich zwei Stunden totzuschlagen
hatte, ging ich durch den Korridor zum Empfangsbüro, wo Ted, der halbamtliche
Angestellte, auf seiner Schreibmaschine tippte. Obwohl die Maschine nicht neu
war, schlug sie meine um Längen, und ich war geradezu neidisch auf Ted, obwohl
mir klar war, daß weder der Umfang noch die Qualität meiner Schreibarbeiten
eine solche Maschine gerechtfertigt hätten.
    »Wo ist Hank?« fragte ich, als Ted
aufblickte.
    Er wies mit dem Daumen zur Decke. »Im
Bett; er ist angeblich erkältet. Aber ich nehme an, der pflegt nur seine
Infaulenzia.«
    Das überraschte mich. Mein Boss, Hank
Zahn, nahm sonst nicht einmal den Urlaub, der ihm zustand. »Wenn er sich nur
verkrochen hat, möchte ich ihn gern sprechen.«
    »Ich glaube, er hat nichts dagegen. Geh
doch einfach rauf.«
    Ich ging hinauf in den ersten Stock des
großen viktorianischen Hauses, in dem die Firma All Souls untergebracht war. In
den freien Räumen wohnten mehrere Rechtsanwälte, was zum Teil das niedrige
Honorar ausgleichen sollte, welches die Rechtsberatungsfirma All Souls abwarf.
Ich klopfte an eine Tür auf der Rückseite des Hauses, und Hanks Stimme
antwortete, ich solle reinkommen. Mein Boss hatte es sich in seinem riesigen
Bett bequem gemacht, umgeben von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Er
lehnte sich gegen einen Kissenstapel, sein hellbraunes Haar war zerwühlt, und
hinter dem einen Ohr steckte ein Bleistift.
    »Komm rein, komm rein.« Er deutete auf
einen Stuhl neben dem Bett.
    »Ist es ansteckend?«
    »Nee. Erst dachte ich, es sei eine
Lebensmittelvergiftung, aber inzwischen ist mir klargeworden, daß es von meiner
miserablen Kochkunst herrühren muß. Ich habe mir gestern abend Curryfleisch
zubereitet, und es ist ein Glück, daß niemand außer mir etwas davon angerührt hat.«
    »Ted meinte, du pflegst nur einen Tag
lang deine Infaulenzia.«
    »Vielleicht hat der kleine Schlaumeier
sogar recht.«
    Ich setzte mich und starrte auf Hanks
Pyjama. Er war weiß mit lauter kleinen roten Schweinchen darauf. Als ich
genauer hinsah, konnte ich das Monogramm unter den kleinen Schweinchen
erkennen. »›MCS‹?«
    Hank schaute an sich hinunter, dann
nahm er seine dicke Hornbrille ab und polierte die Gläser an einem der weiten
Ärmel. »Ja. Ein Geschenk von einer Freundin. Komisch, dabei habe ich gar nicht
gedacht, ich hätte bei ihr den Eindruck eines männlichen Chauvi-Schweins
hinterlassen.«
    »Ich nehme an, es war ein Scherz.«
    »Vielleicht. Aber bei dieser Freundin
weiß ich das nie genau.« Er zeigte auf eine Zeitung, die am Fußende des Betts
lag. »Ich sehe, daß es gestern abend Ärger gab, in dem Haus, wo du wohnst.«
    »Das kann man sagen.«
    »Eine Freundin von dir?«
    »Ich hab’ sie gemocht.«
    »War Greg dort?« Hank und Greg waren
alte Freunde; sie kannten sich lange, ehe ich einen von beiden kennengelernt
hatte.
    »Ja«, erwiderte ich kurz und hoffte,
damit eine Diskussion über mein Liebesleben zu umgehen, das aus irgendwelchen
Gründen Hank zu faszinieren schien.
    »Und — bist du immer noch sauer auf
ihn?«
    Ich seufzte. »Ich bin nicht, um es
einmal mit deinen Worten zu sagen, auf ihn sauer. Aber ich bin zu der
Erkenntnis gekommen, daß diese Beziehung auf lange Sicht zu nichts führen
kann.«
    »Nachdem du deinen großen Streit mit
ihm hattest.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    »Es war gar nicht nötig, daß man es mir
gesagt hätte. Ich kenne dich schließlich.«
    Abgesehen davon, daß er mein Boss war,
galt Hank als einer meiner besten Freunde; er hatte recht: Hank kannte mich
besser als die meisten Leute. »Okay, wir hatten also unseren großen Streit.«
    Er setzte einen väterlichen Ausdruck
auf. »Erzähl mir davon.«
    Es gab keine Möglichkeit, dem Thema
auszuweichen. Hank, mit seiner

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