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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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sich wohl kaum in einer Klinik.«
    »Das nicht, aber die Klinik existiert nicht mehr. Die Büros stehen leer.«
    Dwaynes Augen leuchteten auf. Er bedachte Keisha mit einem anerkennenden Blick. »Daher die leeren Aktenschränke, die Sie gesehen haben.«
    »Könnte Justin einen Schlüssel für diese Räume haben?«, fragte Keisha.
    »Möglich wär’s«, antwortete Marcia. »Einen Moment.«
    Sie erhob sich von der Couch und verließ eilig das Zimmer. »Sie hat ein Büro hier im Haus«, sagte Dwayne. »Da bewahrt sie die Schlüssel zu all ihren Mietobjekten auf. Glauben Sie, er könnte dort sein? Wollen Sie das damit sagen? Haben Sie das in Ihrer Vision gesehen?«
    »Bitte«, mahnte Keisha warnend, »machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. Manchmal sehe ich etwas, ein Aufblitzen, aber das muss noch nicht –«
    »Sie sind weg!«, schrie Marcia irgendwo im Haus. »Die Schlüssel sind weg!«
     
    Zu dritt fuhren sie in Dwaynes Range Rover zu dem Gebäude. Marcia saß auf dem Beifahrersitz und rang nervös die Hände. Dwayne schaltete die Scheibenwischer ein, um die Windschutzscheibe vom Schnee zu befreien.
    »Warum schläft er?«, fragte Marcia immer wieder.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Keisha leise vom Rücksitz her. »Aber ich glaube, wir sollten uns beeilen.«
    »Kannst du nicht schneller fahren?«
    »Die Straßen sind glatt!«, antwortete Dwayne.
    »Mein Gott, der hat doch Allradantrieb!«
    Die ehemaligen Büros der Scar Free Clinic befanden sich im ersten Stock eines viergeschossigen Gebäudes. Keisha und die Taggarts stürzten hinein. Der Aufzug ließ auf sich warten. Nach zehn Sekunden rannte Marcia in einen Seitenflur und riss dort eine Tür mit der Aufschrift »Treppe« auf.
    Im ersten Stock angekommen, sahen sie sich zuerst der Tür zu einer Steuerkanzlei gegenüber. »Hier lang«, sagte Marcia und lief nach links. Am Ende des Flurs blieb sie vor einer Mattglastür stehen, auf der in schwarzen Buchstaben »Scar Free Clinic« stand. Jemand hatte mit einem Textmarker »GESCHLOSSEN« auf ein Blatt Papier geschrieben und es an die Scheibe geklebt.
    »Ich hab keinen Schlüssel, ich hab keinen Schlüssel«, klagte Marcia. »Wie soll ich da denn reinkommen?«
    Dwayne drückte den Türknauf. Vielleicht war die Tür ja unverschlossen. Zwecklos. Er holte tief Luft und sagte zu den Frauen: »Weg von der Tür.«
    Keisha sagte: »Ich kann mich auch geirrt haben. Vielleicht ist er gar nicht da drinnen.«
    Doch Dwayne hörte ihr gar nicht zu. Er machte einen Schritt zurück, hob ein Bein und trat mit dem Absatz seines Schuhs das Glas ein, das mit dem Getöse von hundert Tschinellen zerbarst. Gleich darauf wurde die Tür der Steuerkanzlei aufgerissen, und ein kleiner untersetzter Mann mit weißem Hemd und schmaler schwarzer Krawatte blickte verstört heraus.
    »Was, zum Teufel – Marcia?«
    »Alles in Ordnung, Frank«, sagte sie.
    Sie steckte die Hand durch das Loch, öffnete das Schloss von innen und drückte die Tür auf. Zu dritt betraten sie das Büro. Unter ihren Schritten knirschten die zu Boden gefallenen Scherben.
    »Justin?«, rief Marcia.
    Keine Antwort.
    Die Klinik sah genau so aus, wie Keisha sie beschrieben hatte. Leer. Abgeräumte Regale, offen stehende Aktenschränke, ebenfalls ohne Inhalt. Keines der üblichen Landschaftsbilder oder Diplome an den Wänden. Alles kahl.
    Doch auf dem Boden mehrere verstreute Fast-Food-Behälter. Eine Pizzaschachtel, eine mit Spezialsoße verschmierte Big-Mac-Schachtel. Leere Bierdosen.
    »Hier war jemand«, sagte Dwayne. »Hier hat jemand
kampiert

    Es gab ein weitläufiges Foyer, dann einen kurzen Flur, von dem vier Untersuchungsräume abgingen. Marcia probierte eine Tür nach der anderen. Dwayne und Keisha mussten laufen, um mit ihr Schritt halten zu können.
    Beim Öffnen der letzten Tür schrie Marcia auf. »O Gott!«
    Eine Sekunde später fanden Keisha und Dwayne Marcia neben Justin knien, der in Jeans und schwarzem T-Shirt auf dem Boden lag. Seine Füße waren nackt, Schuhe und Socken lagen unordentlich neben ihm. Eine Winterjacke lag zu einem Kissen zusammengerollt unter seinem Kopf.
    Die Augen des jungen Mannes waren geschlossen.
    Keine fünfzig Zentimeter von seinem Kopf entfernt lag ein undurchsichtiger orange-gelber Pillenbehälter auf dem Boden. Dwayne bückte sich, ein Bein in die Luft streckend, und schnappte ihn sich wie einen Golfball vor Loch sieben.
    »Marcia«, sagte er. »Sind das nicht die Schlaftabletten, die dir der Arzt vor einem Jahr

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