Frag die Toten
sie dich erwischt haben?«
»Der Typ hätte mich umgebracht mit dem Rohr.«
Hätte er doch bloß, dachte Keisha. »Sag mir wenigstens, dass du ihn reingeworfen hast, bevor das alles losging. Ich meine, niemand sucht in einem Müllcontainer einen bestimmten Sack. Nicht, wenn du schon weg bist.«
Kirk schnitt eine Grimasse und strich sich mit der Hand übers Kinn. »Da sind wir uns einig, Aber leider war’s ein bisschen anders. Zum Reinschmeißen bin ich gar nicht mehr gekommen.«
»Was?«
»Ich musste ihn hinstellen, als der Typ auf mich losging. Der hätte mir sonst den Schädel gespalten, der Arsch.«
Kippte ihr der Boden unter den Füßen weg? Stand sie gerade mitten in einem Erdbeben? Für Keisha fühlte es sich an, als schwanke alles um sie herum. »Was sagst du da? Du hast ihn stehen lassen? Einfach so? Direkt vor der Nase der beiden? Scheiße, warum hast du ihn nicht gleich ausgeleert, damit sie sehen können, was drin ist. Was hast du dir –«
Das hör ich mir nicht länger an,
dachte er.
Er explodierte. Er stieß sie mit solcher Wucht gegen die Wand, dass es ihr den Atem verschlug, packte sie mit der rechten Hand am Hals, genau dort, wo auch der rosa Gürtel ihr in die Haut geschnitten hatte, und drückte ihren Kopf an die Wand.
»Ich hab die Schnauze voll von deiner Nörgelei«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich versuche, dir zu helfen, und was ist der Dank? Du gehst mir auf den Sack.«
»Lass … los … krieg …«
Keisha hob ein Knie, um es ihm zwischen die Beine zu rammen. Er sprang zurück und ließ ihren Hals los. Keisha krümmte sich und hustete ein paarmal.
»Ich lass mir das nicht mehr gefallen, den Scheiß, den du hier abziehst«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf sie. »Ich habe dir hier geholfen, ich kümmere mich um dich und dieses Kind, und du hast nicht einen Funken Respekt für mich.«
Noch immer nach Luft ringend, musste Keisha lachen. »Ja, du bist wirklich unbezahlbar«, keuchte sie. »Total unentbehrlich. So nötig wie ein Kropf.«
Wieder streckte er ihr diesen drohenden Finger ins Gesicht. »Das ist genau das, was ich meine! Deine Art! Wie soll diese kleine Sackratte Respekt vor mir haben, wenn schon die Mutter keinen hat?«
»Du nennst ihn Sackratte und wunderst dich, dass er keinen Respekt vor dir hat?«, sagte sie, langsam wieder zu Atem kommend. »Er sieht doch genau wie ich, wie du den ganzen Tag hier rumhängst und mit einer Fußverletzung Mitleid schindest, die dir kein Mensch mehr abkauft. Ich hab dich heute kein einziges Mal humpeln gesehen.«
»Das kann ich mir auch nicht leisten, wenn ich mir den Arsch aufreißen muss, um deine Blutspur zu verwischen«, schoss er zurück. »Tatsache ist, ohne mich könntest du einpacken. Heute wärst du total am Arsch gewesen, das steht schon mal fest. Du brauchst einen Mann im Haus.«
»Ja, das wär schön«, sagte sie. »Weißt du, wo ich einen finde?«
Er stürzte sich wieder auf sie, doch bevor er sie zu fassen bekam, fuhr sie ihm schon mit den Fingern der rechten Hand ins Gesicht. Ihre Nägel hinterließen blutige Kratzspuren auf seiner linken Wange.
»Dreckiges Miststück!«, rief er und sprang zurück. Er strich sich über die Wange, sah das Blut auf der Handfläche. »Bist du übergeschnappt?«
»Du musst zurückfahren«, sagte Keisha.
»Häh?«
»Du musst zurückfahren und den Sack holen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht im Traum.«
Sie sprach leise, so dass er ihr zuhören musste. »Wenn sie ihn aufmachen und sehen, was drin ist, und sich an meinen Wagen erinnern, sind wir dran. Kapierst du das?«
Kirk grinste dämlich. »
Du
bist dran, Süße, nicht ich. Dir werden sie den Prozess machen.«
»Glaubst du?
Ich
bin nicht gefahren,
ich
habe nicht versucht, Beweise zu unterschlagen.«
Er sah sie an, dachte nach, das Grinsen erlosch. Es dauerte ein paar Sekunden. Als ob man einem Pitbull das zweite Gesetz der Thermodynamik zu erklären versuchte, dachte Keisha. »Scheiße«, sagte er schließlich.
»Du musst diesen Sack holen. Du musst rausfinden, ob sie ihn in den Container geworfen haben. Und wenn ja, dann musst du ihn irgendwo anders loswerden.«
»O Mann«, sagte er, und man hätte beinahe Mitleid mit ihm haben können. »Ich kann da nicht wieder hin.«
»Du musst aber«, sagte Keisha. Gott, was für ein Tag, und er war noch längst nicht vorbei.
»Schon gut, schon gut«, sagte er und fügte sich damit ins Unabänderliche.
Sollte sie ihm auch von ihrem anderen Problem erzählen? Es
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