Frag die Toten
würde ihm nicht gefallen, aber er steckte da jetzt mit drin, ob er wollte oder nicht.
»Es gibt da noch was«, sagte Keisha.
Er sah sie an, mit einem Blick, der sagte:
Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?
»Garfield hatte eine von meinen Karten bei sich, als er starb. Früher oder später wird die Polizei kommen und –«
Jemand hämmerte an die Tür.
[home]
Dreiundzwanzig
R ona Wedmore saß in ihrem nicht gekennzeichneten Wagen und rief Joy von der Spurensicherung zurück.
»Hey«, meldete sich Joy.
»Hab deine SMS gekriegt. Was gibt’s?«
»Wir haben die Leiche gerade erst abtransportiert, viel kann ich dir noch nicht sagen, außer, dass die Nadel knapp fünfzehn Zentimeter tief in den Schädel des Toten eingedrungen ist.«
»Gehst du davon aus, dass das die Todesursache war?«, fragte Rona.
»Du bist ja lustig«, antwortete Joy.
»Ich frage ja nur, weil ich wissen will, ob sonst noch etwas mit ihm gemacht wurde.«
»Glaub nicht, aber wenn ich was finde, erfährst du’s als Erste. Warum ich angerufen habe: Ich hab mir diese Visitenkarte aus seinem Hemd angeguckt. Der Name lautet … Sekunde, ich hab’s mir aufgeschrieben. Ja, da: Keisha Ceylon, Seelenfinderin. Ziemlich exklusiv.« Sie las die Telefonnummer und eine Internetadresse vor. Rona schrieb beides in ihr Notizbuch.
»Der Name kommt mir bekannt vor«, sagte Rona Wedmore.
»Vielleicht aus einem früheren Leben«, sagte Joy.
»Erinnerst du dich an den Fall, fünf, sechs Jahre muss das jetzt her sein, mit dieser Frau aus Milford, deren Familie verschwand, als sie vierzehn war? Fünfundzwanzig Jahre lang hatte sie keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist.«
»Archer«, sagte Joy. »Cynthia Archer. Damals dachte ich, warum konnte das nicht meiner Familie passieren?«
»Auch damals tauchte der Name dieser Keisha auf.« Wedmore dachte nach. »Sie behauptete, dass sie Visionen von Menschen habe, die verschwunden sind. Ich glaube, sie wollte die Archers nur ausnehmen.«
»Alles, was mit Visionen zu tun hat, werde ich dir überlassen«, sagte Joy. »Da ist noch was. Sieht aus wie Fußabdrücke, in den Blumenbeeten direkt vor dem Seitenfenster im Wohnzimmer. Der Boden war nur oberflächlich gefroren. Und auf der Scheibe könnten auch ein paar brauchbare Abdrücke zu finden sein.«
Damit wusste Wedmore nichts anzufangen, bat jedoch darum, auf dem Laufenden gehalten zu werden.
Nach dem Anruf bei Joy führte die Ermittlerin von ihrem Handy aus noch ein paar andere Gespräche. Als sie auf einige der Fragen, die ihr durch den Kopf gingen, eine Antwort bekommen hatte, startete sie den Wagen und fuhr zur Old Fairfield High School.
Sie ging direkt ins Sekretariat, zeigte ihren Ausweis und sagte, sie müsse mit einem Mitglied des Kollegiums sprechen. »Sagen Sie ihm nur, er soll herunterkommen. Verraten Sie ihm nicht, wer auf ihn wartet.«
Eine der Sekretärinnen sah in einem Stundenplan auf ihrem Computer nach. »Aber er unterrichtet gerade. Amerikanische Literatur.« Wedmore warf ihr einen Blick zu, der zu fragen schien, ob Ralph Waldo Emerson oder Herman Melville wichtiger seien als ihr Anliegen. Die Sekretärin griff zum Telefon, erreichte die gewünschte Person und richtete aus, was sie ausrichten sollte. Wedmore nahm einen kleinen leeren Raum – das Zimmer des Beratungslehrers, wie sich herausstellte – in Beschlag und wartete.
Drei Minuten später kam Terry Archer herein. Beim Anblick der Person, die dort am Tisch saß, malte sich Erschrecken auf seinem Gesicht.
»O Gott«, sagte er. »Was ist passiert?«
Wedmore lächelte ihm aufmunternd zu. »Nichts, Mr. Archer, gar nichts.« Sie streckte ihm die Hand hin, und der Lehrer ergriff sie, sah aber alles andere als beruhigt aus. »Schön, Sie zu sehen«, sagte sie.
»Ich würde gerne dasselbe sagen«, meinte Archer. »Aber ich war doch etwas erschrocken, als ich Sie sah. Sie sind ganz sicher, dass alles in Ordnung ist? Grace geht es gut? Ist es wegen Cynthia?«
»Soweit ich weiß, geht es sowohl Ihrer Tochter als auch Ihrer Frau blendend. Ich bin nicht ihretwegen hier. Wie geht es den beiden übrigens wirklich?«
Archer lächelte gequält. »Grace geht’s gut.«
»Ich erinnere mich, dass sie ganz heiß auf Astronomie war. Ist sie das noch immer?«
Archer nickte. »Sie will Astronautin werden. Um den Sternen ein bisschen näher zu kommen. Sie ist ziemlich geknickt, weil sie das Space Shuttle eingemottet haben.«
Wedmore grinste. »Na, ich bin sicher, dass sie irgendwann wieder ins All
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