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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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bereit, noch einmal zu klopfen. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet.
    »Gail?«, sagte Keisha.
    »Ich
muss
mit dir reden!« Gail drängte sich ins Haus. Mit einem Blick auf Kirk, der sie verdattert ansah, sagte sie: »Ich muss mit dir
allein
reden.«
    »Das ist jetzt gerade nicht so günstig«, sagte Keisha. »Vielleicht Ende der Woche, aber jetzt –«
    »Er ist tot!«, stieß Gail hervor. »Mein Bruder ist tot.«
    »Was?«
    »Jemand hat meinen Bruder umgebracht!«
    »Gail, ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Heute Vormittag«, sagte Gail. »Und was sie über Melissa sagen … grauenhaft. Und lächerlich! Dass sie ihre Mutter umgebracht hat. Lauter Unsinn. Die Polizei verrennt sich da in etwas! Du musst mir helfen! Du musst ihnen die Augen öffnen!«
    Ein schlimmer Verdacht stieg in Keisha auf. Sie packte Gail an der Schulter, hielt sie fest und sah ihr in die Augen. »Gail, hör mal … hör mal eine Sekunde zu. Wer ist dein Bruder?«
    »Wendell«, sagte Gail. »Wendell Garfield.«
    Keisha wechselte einen Blick mit Kirk, der neben Gail stand. »Was ist das jetzt?« Er bewegte nur die Lippen.
    »In Ordnung, Gail, setz dich und erzähl mir, was los ist. Willst du was zu trinken? Kirk, bring ihr was zu trinken.«
    »Hast du was Zuckerfreies?«, fragte Gail und ließ sich von Keisha zur Couch führen.
    »Bring einfach irgendwas«, sagte Keisha und setzte sich so neben Gail, dass ihre Knie und die Gails einander berührten. Sie massierte ihrem Gast tröstend die Schulter. »Es wird alles gut. Erzähl mir einfach, was los ist, aber langsam und von Anfang an.«
    Kirk drückte Gail eine Dose Pepsi light in die Hand, die er bereits geknackt hatte. Gail sah ihn an und fragte: »Was ist denn mit Ihrem Gesicht passiert?«
    »Rasierer«, sagte er.
    Sie nickte und folgte dann Keishas Aufforderung. »Vor ein paar Tagen ist Ellie, das ist Wendells Frau, verschwunden.«
    »Ich hab da was in den Fernsehnachrichten gesehen«, warf Keisha ein.
    Gail nickte. »Ja, sie waren gestern bei so einer Pressekonferenz. Wendell und Melissa. O Gott.« Sie stellte die Dose auf den Tisch und fuhr sich mit beiden Händen über die Augen. »Es ist alles so unglaublich! Warum sollten sie eine Pressekonferenz machen, wenn sie was damit zu tun hatten?«
    »Was willst du damit sagen, Gail? Dass
beide
was damit zu tun hatten?« Kaum hatte sie es ausgesprochen, erkannte Keisha, wie das geklungen haben musste: Als hätte es sie kein bisschen gewundert, wenn Gail ihr gesagt hätte, dass es Wendell allein war. Sie musste umdenken, Erstaunen mimen über alles, was sie gleich hören würde.
    Doch wie sich zeigte, musste sie sich gar nicht allzu sehr verstellen.
    »Sagen die von der Polizei jedenfalls«, sagte Gail kopfschüttelnd. »Dass Melissa ihre Mutter umgebracht und ihr Vater ihr geholfen hat, es zu vertuschen. Wahrscheinlich, weil sie bald dieses verflixte Kind kriegt, die dumme Nuss, und Wendell nicht wollte, dass es im Gefängnis zur Welt kommt. Es ist eine entsetzliche Geschichte. Einfach grauenhaft!«
    »Und was genau ist Wendell zugestoßen?«, fragte Keisha. »Wo haben sie ihn gefunden?«
    »Zu Hause«, antwortete Gail. »Ich kenne ja nicht alle Einzelheiten, aber das ergibt alles keinen Sinn. Dass Melissa ihre Mutter umbringt und dass jemand Wendell umbringt. Das ist doch Wahnsinn.«
    Keisha umarmte Gail. »Du Arme. Das ist ja ganz furchtbar für dich.«
    Während sie die Frau im Arm hielt, überlegte sie fieberhaft. Sobald Kirk ihre blutigen Sachen endgültig entsorgt hatte, gab es nur mehr eine Verbindung zwischen ihr und Garfield, und das war ihre Visitenkarte, die die Polizei bestimmt finden würde. Sie war inzwischen mit sich übereingekommen, das einfach damit zu erklären, dass Garfield die Karte an hundert verschiedenen Orten hätte mitnehmen können.
    Doch jetzt gab es eine unleugbare Verbindung zwischen Keisha und dem Toten.
    Die Schwester des Toten. Die zufällig eine von Keishas Klientinnen war.
    Schlecht, ganz –
    Aber Moment mal.
    Vielleicht war das ja die Lösung.
    »Erzähl mir von deinem Bruder«, sagte Keisha. »War er älter oder jünger als du?«
    »Er war mein kleiner Bruder«, sagte Gail und fing wieder an zu weinen.
    »Ich glaube – hast du ihn nicht ein paarmal in unseren Sitzungen erwähnt?«
    Gail nickte und zupfte ein paar Tücher aus dem Spender, der neben der angebissenen Cremerolle und der Bierflasche auf dem Tisch stand. Sie putzte sich die Nase und trank einen Schluck Pepsi. »Genau. Ich habe ihm

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