Fragmente des Wahns
begeistert, dass sie keinen Ton herausbrachte. Ihr Mund stand dabei weit offen.
Alex kniete sich vor seine Tochter und hielt ihr die Meerjungfrauentorte entgegen. „Alles Gute zum Geburtstag, meine Kleine.“
„Super, Papa“, sagte Lilli in völliger Euphorie und wollte ihn am liebsten umarmen.
„Puste die Kerzen aus, Liebes“, sagte Lisa, die sich zu Alex gesellt hatte.
Lilli nickte so heftig, wie es nur Kinder konnten. Dann konzentrierte sie sich und pustete mit all ihrer Kraft zwei der Kerzen aus. Nach einem weiteren Pusten erlosch auch das Licht der letzten Kerze. Die Kinder und Eltern applaudierten dem Geburtstagskind.
Nur Alex nicht. Schließlich hielt er noch die Torte fest. Aber da war auch noch etwas anderes. Er fühlte sich irgendwie benommen, weggetreten. Lisa bemerkte es als Erste.
„Schatz? Ist alles in Ordnung mit dir?“
Doch sie bekam keine Antwort.
Alex sah nur noch die Torte. Er hatte sie Lilli überreicht und dann hatte das Pusten begonnen. Ihre Lippen hatten sich bewegt, die Luft gewandelt und dann die ersten Flammen gelöscht. Dann wurde alles still … und anders.
Er konnte zwar noch immer die Kerzen sehen, doch sie waren nicht mehr blau, sondern rosa und brannten unaufhaltsam weiter. Sie gehörten ebenfalls zu einer Geburtstagstorte, die sich jedoch ebenso wie die Kerzen verändert hatte. Sie war rund, mit rosafarbener Glasur und in der Mitte befanden sich purpurrote Herzen.
Dann erlosch die erste Flamme und Alex betrachtete das Gesicht seiner Tochter. Er sah ihr sonniges Lächeln, das sein Herz und seine Seele erwärmte. Doch trotz aller Freude war das nicht seine Lilli. Alex spürte es.
Wie kann das … ich meine … warum soll das nicht …
Sein Herz raste. Er hörte eine Stimme, doch er verstand sie nicht. Alles um ihn herum verschwamm.
Er sah nur noch dieses Licht und dann … war Finsternis.
Erst später hatte Alex erfahren, dass das zuletzt Erlebte nicht länger als ein paar Sekunden gedauert hatte. Doch für ihn würde es immer ein Moment des Schreckens bleiben.
Lisa hatte ihm geistesgegenwärtig die Geburtstagstorte aus den Händen gerissen und Sabine gereicht. Daraufhin hatte Lisa den Kopf ihres Mannes zwischen ihre Hände genommen und ihm starr in die Augen gesehen. Dabei hatte sie immer wieder seinen Namen gerufen. Er hatte nicht reagiert … bis jetzt!
Alex war zurück im Hier und Jetzt. Nun erkannte er auch Lisa, die sich Sorgen um ihn machte.
„Lisa?“, brachte er schwach über die Lippen.
„Mensch, Alex“, sagte sie erleichtert und atmete erst mal tief aus, „hast du mir einen Schrecken eingejagt. Was war denn nur los mit dir?“
„Ich … ich weiß es nicht. Mir wurde einfach schwarz vor Augen.“
Den Teil mit der Geburtstagstorte, die sich verwandelt hatte, ließ Alex absichtlich weg. Er konnte sich diese Sache selbst nicht erklären, daher hielt er es für das Beste, es erst einmal für sich zu behalten. Er wollte seine Frau nicht unnötig beunruhigen, auch wenn es dafür bereits zu spät war.
„Geht es denn wieder“, fragte Lisa besorgt.
„Ja. Keine Probleme mehr.“
„Gut.“ Sie half ihrem Mann beim Aufstehen. „Aber willst du dich nicht doch lieber ein wenig hinlegen?“
„Nein, Schatz. Es geht schon. Ich bin wohl das viele Stehen nicht mehr gewohnt.“ Er wollte ehrlich lächeln. Es funktionierte nicht.
„Papa, okay?“, wollte Lilli wissen. Sie war neben ihren Papa getreten und sah ihn besorgt an.
Alex streichelte ihr sanft durch die Haare, ohne dabei die Krone zu verrutschen. „Klar, Süße. Mach dir keine Sorgen.“
Sie nickte.
„Aber jetzt Geschenke“, beharrte Lilli auf ihr Recht als Geburtstagskind.
„Sicher“, bestätigte Alex. „Komm, meine Kleine, lass uns deine Geschenke auspacken.“
Lisa hatte, zusammen mit ihren Freundinnen, sämtliche Geschenke auf einem Klapptisch in der Nähe der Geburtstagstorte platziert. Es waren einige zusammengekommen. Lilli und der Rest der Kinder folgten Alex zum besagten Tisch und stellten sich im Kreis darum auf.
„Na dann mal los, Lilli, such dir dein erstes Geschenk aus“, sagte Alex und ging dabei auf Augenhöhe zu seiner Tochter.
Sie lächelte breit und lief auf ihren Geschenkberg zu. „Nimm meins, nimm meins“, brüllte Philipp, der Sohn von Simone. Doch Lilli hörte nicht auf das Flehen und Bitten ihrer Freunde, sondern griff sich einfach das sonnengelbe, rechteckige Geschenk, das sie kaum halten konnte.
Damit setzte sie sich neben ihren Papa ins Gras und
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