Fragmente des Wahns
Zeit.
„Schon gut“, sagte sie. „Ich weiß doch, dass es nicht deine Schuld ist. Es ist nicht wichtig. Nur wir sind wichtig.“
Dabei sah sie zu Lil … und ihre Augen leuchteten. Alex folgte ihrem Blick. Seine kleine Tochter. Sie wirkte so zerbrechlich, verletzlich. Sie war nackt und lediglich in ein Tuch gewickelt. Sie war hilflos. Sie brauchte ihre Eltern. Sie brauchte ihn .
Und ich brauche sie.
„Komm. Nimm sie“, sagte seine Freundin und streckte ihm Lil … entgegen. Alex nahm dankend an. Er hielt seine Kleine zum ersten Mal in den Armen und wiegte sie im Schlaf. Er konnte seinen Blick nicht mehr von ihr wenden. Er musste weinen.
„Weißt du jetzt, wie du sie nennen willst?“
„Ja“, antwortete Alex. „Meine Mutter hat immer gesagt, dass sie ihren Namen nicht mochte, schon als kleines Kind nicht. Sie hat mir eines Tages erzählt, dass sie sich daher einen neuen, eigenen Namen gegeben hat.“
„Und wie lautete er?“
„Leonie.“
„Alex …“
Alles war schwarz … bis vereinzelt weiße Schwaden durch die Finsternis tanzten. Er fühlte sich, als würde er schweben, doch in Wirklichkeit war es mehr wie ein Meer, in dem er abtauchte und langsam ertrank.
„Alex …“
Sein Name war ohne Bedeutung. Er fühlte sich verloren. Er verstand rein gar nichts mehr. Er wusste nicht einmal mehr, wer er eigentlich war. Wer Alex war. Alles schien falsch und unwirklich. War das wirklich noch sein Leben?
„Hey … Alex. Komm schon.“
Er kannte diese Stimme … und doch wusste er nicht, wer zu ihm sprach. Er spürte die Erinnerung, doch er konnte sie nicht greifen. Erst als er die Kälte des schwarzen Meeres wahrnahm, veränderte sich alles.
Angst durchflutete ihn. Erkenntnis drang in sein Bewusstsein. Er würde hier sterben, wenn er sich nicht wehrte. Er fing an, wild um sich zu schlagen, das Wasser zu verdrängen. Er schwamm immer höher, bis er das Gefühl hatte, endlich Licht zu sehen. Doch war es Rettung … oder Verdammnis?
Es würde sich zeigen.
Er schwamm.
Immer weiter …
Alex öffnete die Augen.
Er sah die tätowierte Hand, die ihn rüttelte und zurück ins Leben riss. Sie gehörte Ralfie. Er konnte sich an alles erinnern.
Da war Ralfie, wie er ihn das erste Mal getroffen hatte. Da waren diese schwarzen Spitzen gewesen, die sich unterhalb des Ärmels hervorgetan hatten. Mehr nicht. Doch nach und nach waren es immer mehr Tätowierungen geworden, bis schließlich sein gesamter, rechter Arm davon bedeckt war.
Und genau dieser Arm wurde ihm jetzt entgegengestreckt und half ihm aufzustehen. Er kehrte zurück in die reale Welt. Alles schien wieder normal. Doch fühlen konnte er es noch nicht.
„Was ist passiert?“, fragte Alex verwirrt.
Er wusste, dass er im Garten war und er konnte sich ebenfalls ans Grillen erinnern, doch was daraufhin passiert war, blieb ihm verborgen.
„Du bist zusammengebrochen“, antwortete Ralfie. „Scheiße, das hat echt übel ausgesehen. Mach das ja nie wieder.“
„Wie … zusammengebrochen?“
„Na, zusammengebrochen. Du hast den Garten betreten und bist dann Kopf voraus in den Rasen gefallen. Zuerst dachten wir, du wärst über etwas gestolpert, aber da war nichts.
Alex, du bist einfach zusammengesackt. Wir hatten große Angst!“
„Ich … ich kann mich kaum noch erinnern.“
Alex fasste sich an den Kopf. Er schmerzte fürchterlich. Er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen.
Was ist nur geschehen?
„Oh Gott, Alex.“
Diesmal war es Lisa, die zu ihm sprach. Sie kam auf Alex zu und umarmte ihn mit all ihrer Liebe. Er konnte sie deutlich spüren. Doch noch immer schien etwas damit nicht zu stimmen.
„Bitte mach das ja nie wieder. Ich halte das einfach nicht mehr aus.“
„Wir haben dich überhaupt nicht mehr wach bekommen“, mischte sich Ralfie ein. „Es schien geradezu so, als ob du in einen tiefen Schlaf gefallen wärst.“
Besser hätte man es nicht ausdrücken können.
„Wie geht es dir? Was war denn nur los?“
Lisa durchlöcherte ihn abermals mit Fragen. Sie machte sich Sorgen, was natürlich verständlich war und doch brachte es ihn um den Verstand. Er wollte doch bloß, dass alles wieder so war wie früher.
„Ich … muss mich setzen.“
Lisa half ihm dabei, auf einem der hölzernen Stühle Platz zu nehmen. Kaum spürte er das Objekt unter sich, kam ihm sofort der Mageninhalt hoch. Er schaffte es gerade noch, sich im Rasen zu erleichtern.
Zweimal musste sich Alex übergeben, bis nichts mehr
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