Fragmente des Wahns
folgen. Er sehnte sich regelrecht nach dem toten Nass. Er hatte einfach keine Kraft mehr.
Dann tauchte ein Mann neben ihm auf. Alex hatte ihn überhaupt nicht wahrgenommen, bis sich dieser neben ihn auf die Mauer setzte. Ein kurzer Blick verriet Alex, dass es sich um Ralfie handelte.
„Na?“ Mehr sagte er nicht.
Alex konnte darauf nicht reagieren. Er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Er hatte mit vielem gerechnet, aber mit Ralfie definitiv nicht.
„Warum bist du verschwunden?“, wollte Ralfie wissen.
„Du hast es doch mitbekommen“, antwortete Alex genervt.
Ralfie hingegen blieb ruhig. Er wippte mit seinen Füßen auf und ab und wirkte dabei mehr wie ein Kleinkind als ein erwachsener Mann.
„ Was habe ich denn mitbekommen, Alex? Was genau glaubst du, habe ich gesehen?“
„Alles.“
„Und was ist alles ?“
„Mensch, Ralfie! Bitte lass diesen Scheiß! Du weißt ganz genau, was passiert ist.“
„Nein, Alex, eben nicht. Niemand weiß, was mit dir passiert, weil du niemanden an dich heranlässt.“
„Ich kann nicht.“ Alex schaute weg.
„Ist es denn so schlimm?“
„Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich, ich weiß gar nichts mehr.“
„Du weißt, dass du über alles mit mir reden kannst, oder?“
„Klar. Es ist nur … diesmal ist es anders.“
„Inwiefern?“
„Keine Ahnung. Ich denke, es liegt einfach daran, dass ich selbst nicht weiß, was eigentlich mit mir los ist.“
„Und wenn du einfach mit mir darüber redest? Wir müssen ja nicht über alles reden, nur über die Dinge, die dich so stark belasten, dass du dadurch vor deiner Familie davonläufst.“
Alex wurde nachdenklich. Er musste an Lisa und Lilli denken. Trauer überkam ihn.
„Was hat sie gesagt?“
„Lisa? Nicht viel. Wie könnte sie auch. Lisa versteht genauso wenig wie ich, was mit dir los ist und was dieser Auftritt gerade sollte.“
„Ich hasse mich ja selbst dafür.“
„Und doch tust du es.“
„Ja“, war die kurze Antwort von Alex. Mehr hatte er dazu nicht zu sagen.
„Was soll ich ihr sagen?“
Diese Frage brachte Alex dazu, Ralfie wieder in die Augen zu sehen. Er fühlte sich mit ihm verbunden.
„Wie meinst du das?“
„Na ja, was soll ich Lisa sagen, wenn ich zurückgehe und du nicht? Findest du nicht, sie hat wenigstens eine Erklärung verdient?“
Alex schwieg.
„Du hast noch nicht darüber nachgedacht, oder? Du bist davongelaufen, hast sie verlassen und doch hast du nicht einmal darüber nachgedacht, was das zu bedeuten hat und wie die Konsequenzen aussehen. Du hast keine Ahnung, wie es weitergehen soll.“
„Ja … so ist es. Ich meine, verdammt Ralfie, ich will das alles nicht, aber irgendwie spüre ich tief in mir drin, dass es das Richtige ist. Ich würde sie nur noch mehr verletzen. Lisa und auch Lilli. Ich darf das einfach nicht mehr zulassen.“
„Dann steht dein Entschluss also fest?“
„Ja. Ich muss gehen. Fürs Erste zumindest. Es ist die richtige Entscheidung, auch wenn es nicht danach aussieht.“
„Wenn es sich für dich richtig anfühlt, dann ist es das auch.“
Ralfies Worte überraschten Alex. Nie hätte er mit einer solchen Reaktion gerechnet.
„Es ist dein Leben, Alex. Du weißt, dass ich immer zu euch gestanden habe und das tue ich auch jetzt noch. Wenn du diesen Weg für richtig erachtest, dann tu ich das auch.“
„Danke, Ralfie.“
„Dafür sind Freunde doch da.“ Sie umarmten sich kurz und besiegelten den Pakt. „Aber eine Sache bleibt noch.“
„Und die wäre?“
„Du kannst Lisa nicht einfach so im Stich lassen. Du musst noch einmal nach Hause, deine Reisesachen packen und dich bei Lisa ordentlich verabschieden. Das verdient sie, Alex. Sie ist schließlich deine Frau.“
„Da hast du recht.“
„Gut. Dann wäre ja alles geklärt. Also komm, lass uns nach Hause gehen.“
Nach Hause.
Alex wusste, wie Ralfie es meinte und doch hörte es sich merkwürdig an. Denn Alex hatte nicht das Gefühl, nach Hause zu gehen.
Ganz im Gegenteil.
Die Tür ging nach innen auf.
Es war Ralfie, der sie öffnete. Alex folgte ihm demütig. Er wollte nicht in das Haus und zu seiner Familie zurück. Er wollte ihnen nicht in die Augen sehen.
„Bereit?“, fragte Ralfie.
„Nicht im Geringsten.“
„Dachte ich mir, aber da kommst du jetzt nicht mehr raus.“
Alex nickte.
Erst jetzt registrierte Lisa, die sich im Wohnzimmer aufhielt, dass Stimmen ins Haus zurückgekehrt waren. Sie stand vom Sofa auf und ging schnellen Schrittes
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