Fragmente des Wahns
seine Tochter das Licht der Welt erblicken würde.
Das Taxi hielt vor dem Eingang des Krankenhauses. Alex hätte natürlich seinen eigenen Wagen nehmen können, doch er wollte keine Zeit mehr verlieren, indem er nach einem leeren Parkplatz suchen musste. Daher bezahlte er den Taxifahrer, gab ihm ein großzügiges Trinkgeld, da er nicht auf das Wechselgeld warten wollte und verschwand im Krankenhaus.
Die Dame an der Rezeption kam gar nicht zum Antworten. Alex bewarf sie regelrecht mit Fragen und das in einer Geschwindigkeit, dass man meinen könnte, er rede in einer fremden Sprache. Erst als er Luft holen musste, schaffte es die Frau zu antworten.
„Ihre Freundin, Frau Mü … auser ist gerade im Kreißsaal G-7. Sie müssen einfach diesem Flur folgen und dann nach rechts abbiegen. Auf der linken Seite befindet sich der Kreißsaal. Bitte dort noch einmal anmelden.“
Doch den letzten Satz bekam Alex gar nicht mehr mit. Selbst das komische Rauschen, als die Dame den Namen seiner Freundin erwähnt hatte, war gänzlich an ihm vorbeigegangen. Er konnte nur noch an sie denken.
Er rannte den Flur entlang. Dabei sah er so viele Ärzte und noch mehr Patienten, doch andererseits nahm er lediglich den weißen Flur wahr. Es gab Licht an beiden Seiten, das irgendwie nicht hierher passte und dann die ersten Väter, die, wie er selbst, auf ihr Kind warteten.
Alex stoppte völlig außer Atem bei der Schwester und stammelte den Namen seiner Freundin. Die ältere Frau tippte ihn in den Computer und gab Alex zu verstehen, dass sich seine Freundin bereits in der Geburtsphase befand und er doch bitte warten müsse.
Doch er konnte nicht!
Er wollte zu seiner Freundin, ihr beistehen und die Geburt miterleben. Er wollte diesen Augenblick nicht versäumen!
„Ich muss zu ihr!“, brüllte Alex die Schwester an.
Diese wusste gar nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Eigentlich wollte sie nur in Ruhe ihre Arbeit machen. Da war die Antwort fast vorherzusehen.
„ Jetzt nicht mehr, Herr Schneider. Ihre Freundin bekommt gerade ihr Kind. Bitte warten Sie, bis ihre Freundin bereit ist.“
Alex wollte noch etwas erwidern, verkniff es sich aber. Er verstand, dass er verloren hatte. Diese alte Schnepfe würde ihn sicherlich nicht zu seiner Freundin lassen. Soviel stand fest. Also hieß es abwarten.
Und aus Sekunden wurden Minuten, diese zu Stunden, bis sie sich zur Ewigkeit wandelten. Alex verlor vollends das Zeitgefühl. Er hatte nur noch Gedanken für seine Freundin übrig, wie sie die schweren Stunden ohne ihn bewältigen musste.
Und warum?!
Weil er nichts Besseres zu tun hatte, als zu arbeiten. So wie es fast immer war! Er verlor so viel und all das nur wegen der Arbeit. War das etwa der Sinn seines Lebens? War dies seine Bestimmung?
Er ging auf und ab, setzte sich, stand auf. Immer wieder … immer wieder … bis endlich die Schwester kam und seinen Namen rief.
Alex kam angerannt. Er hielt es keine Sekunde länger aus. Er folgte der Schwester mit schnellen Schritten. Sie öffnete die Tür und Alex sah endlich seine Freundin. Und in ihren Armen lag seine Tochter.
Sein Herz setzte für eine Sekunde aus. Sein Mund wurde staubtrocken. Sein Kopf hatte keine Gedanken mehr. Er hörte auf zu existieren … nur, um daraufhin wiedergeboren zu werden. Zwei Sekunden später.
Seine Freundin wartete bereits auf ihn. Ihre langen schwarzen Haare waren verschwitzt durch die schwere Geburt. Sie trug nur das hauchdünne Krankenhaushemd und in ihren kraftlosen Armen lag ihr Erstgeborenes.
Langsamen Schrittes ging Alex auf sie zu. Er hatte Sehnsucht nach ihrer Nähe und wollte sie so schnell wie möglich in die Arme schließen. Und ebenso hatte er fürchterliche Angst vor diesem Augenblick. Schließlich war das der Zeitpunkt, an dem er sein Kind akzeptierte und annahm. Das war die Geburt seiner Vaterschaft. Er wurde Papa!
Bin ich wirklich schon bereit?
„Sie ist so unbeschreiblich schön.“
Es war Li … die zu ihm sprach. Oder redete sie mit sich selbst? Er konnte es nicht genau sagen, doch es reichte aus, um ihm die letzte Angst zu nehmen. Die letzten Schritte fühlten sich federleicht an.
„Hallo, Schatz“, sagte San …, kaum dass sich Alex zu ihr ins Krankenbett gesellt hatte.
Er küsste sie auf die Stirn und schloss dabei die Augen.
„Hallo, Liebes. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte nicht …“
Es war ihre Hand, die seinen Mund schloss und seinen Satz beendete. Er spürte die Tränen, doch es war noch nicht an der
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