Fragmente: Partials 2 (German Edition)
ihm, und er wäre sich mit seinem Wunsch ein wenig lächerlich vorgekommen. Er suchte im wabernden Nebel nach einem Actionfilm, doch bevor er etwas Passendes gefunden hatte, strahlte der Soldat neben ihm, der riesige Kerl mit den Gewaltphantasien. »Flüsterwind?«, fragte er. »Den habe ich früher gern gesehen.«
Er ist Soldat, dachte Marcus. Als die Welt unterging, war er höchstens sieben oder acht.
Diadem schwenkte die Fernbedienung, vertrieb den holografischen Dunst und zielte auf Flüsterwind . Auf einmal erfüllte ein riesiges Hologramm die Mitte des Raums, und der niedliche purpurfarbene Drache segelte durch den Vorspann des Films. »Flüsterwind!«, sang ein Chor den Titelsong. Marcus und die Soldaten sangen die nächste Zeile mit. »Klapp die Flügel auf und flieg!« Sie sahen sich die ganze Episode an, lachten und jubelten und erlebten eine halbe Stunde lang noch einmal die Kindheit, die sie verloren hatten. Doch mit jeder Minute, die verging, verflog auch der Zauber. Die Farben waren zu satt, die Emotionen zu dick aufgetragen, die Musik war zu laut und der Spannungsbogen viel zu durchsichtig. Der Film kam ihnen hohl und fad vor, als hätten sie zu viel Zucker gegessen. Habe ich das tatsächlich vermisst? Sah die alte Welt wirklich so aus?, fragte sich Marcus am Ende. Das Leben nach dem Zusammenbruch war hart, und sie hatten mit schweren Problemen zu kämpfen, aber das alles war wenigstens real. Als Kind hatte er Stunden vor dem Holovideo verbracht und eine Serie nach der anderen, einen Spezialeffekt nach dem anderen, eine Plattheit nach der anderen konsumiert. Als die Episode vorbei war und Diadem ihn mit erhobener Fernbedienung fragend ansah, schüttelte er den Kopf.
Sie schaltete das Gerät ab. »Sie haben gerade zugesehen, wie ein freundlicher Purpurdrache einen Zauberer in einen See aus Zitronenschaum stößt. Dafür sehen Sie jetzt ziemlich traurig aus.«
»Ja, das stimmt wohl«, erwiderte Marcus. »Tut mir leid.«
Sie legte die Fernbedienung weg. »Den Anfang haben Sie genossen, das Ende nicht mehr.«
Marcus schnitt eine Grimasse und ließ sich auf einem Sofa nieder. »Nein, es ist so, dass …« Er wusste nicht recht, wie er es ausdrücken sollte. »Es ist nicht real.«
»Natürlich ist es nicht real. Es ist ein Zeichentrickfilm.« Diadem setzte sich neben ihn. »Ein dreidimensionaler Zeichentrickfilm mit fotorealistischem Hintergrund. Trotzdem – es ist nur eine Geschichte.«
»Ich weiß.« Marcus schloss die Augen. »Ich habe mich nicht ganz richtig ausgedrückt. Früher habe ich gern gesehen, wie der böse Zauberer an seiner Heimtücke scheiterte. Jede Woche ein neuer Plan, und jede Woche hielt Flüsterwind ihn auf. So ging es immer hin und her. Eine Schwierigkeit tauchte auf und ließ sich in zweiundzwanzig Minuten beheben. Das hielt ich für phantastisch, aber … es ist nicht real. Die Guten sind immer gut, der böse Zauberer ist immer böse. Der Name sagt es ja schon.«
»In den Kindersendungen gab es nicht viel Raum für Zweideutigkeiten und unlösbare moralische Probleme«, meinte Diadem. »Ich glaube, die meisten Fünfjährigen könnten so etwas auch nicht richtig erfassen.«
Marcus seufzte. »Keiner von uns konnte das.«
Nach Einbruch der Dunkelheit kam Vinci und redete mit ihnen. Er entschuldigte sich, dass sie Trimble immer noch nicht sprechen konnten, und berichtete ihnen die Neuigkeiten von der Außenwelt. Der Krieg lief nicht gut, die Front näherte sich der Stadt.
»Aber wer bekämpft sich da?«, fragte Woolf. »Morgans Kräfte sind doch auf Long Island gebunden.«
»Es gibt noch weitere … Schwierigkeiten«, erwiderte Vinci.
»Schwierigkeiten?«, fragte Marcus. »Ich hätte damit gerechnet, dass Sie andere Fraktionen erwähnen. Was hat es zu bedeuten, wenn Sie von Schwierigkeiten sprechen?«
Vinci schwieg. Marcus hätte nicht zu sagen vermocht, ob der Partial über eine Antwort nachdachte oder die Antwort verweigerte. Marcus und die anderen menschlichen Gäste warteten und konnten nur spekulieren. Schließlich war eine Stimme von der anderen Seite des Raums zu hören.
»Trimble empfängt Sie!«
Alle sprangen auf. Diadem rannte zu dem Wächter an der großen Doppeltür, doch der Mann gebot ihr mit einem Blick Einhalt und sandte ihr vermutlich auch eine Menge Linkdaten. »Nicht Sie. Die Menschen.«
»Ich warte schon viel länger.«
»Trimble will die Menschen sehen«, erklärte der Wächter und wandte sich an Vinci. »Bring den Kommandanten und den Experten
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