Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Wandbildschirme veränderte. Dutzende neuer Videos und Standbilder waren zu sehen: röhrende Artillerie, zerfallende Gebäude. Lange Listen mit Namen und Zahlen liefen so schnell vorbei, dass Marcus sie nicht lesen konnte.
»Ein neuer Angriff.« Der Wächter hatte sich anscheinend von seinem erzwungenen Schweigen erholt. Er trat vor und bediente ein eigenes kleines Pult, dann betrachtete er die Holovideo-Karte. »Diesmal innerhalb der Stadt.«
»Sie greifen hier an?«, fragte Woolf. Unwillkürlich wanderte seine Hand zur Hüfte und wollte die Waffe ziehen, vergeblich. Instinktiv folgte Marcus seinem Beispiel. Wenn eine Armee von Partials angriff, saßen die Menschen mitten im Kampfgeschehen fest und kamen nicht mehr lebend davon.
Sie hat uns immer noch nicht verraten, wer da angreift, dachte Marcus. Die Tatsache, dass Trimble etwas verheimlichte, machte ihm Angst.
»Das sollte nicht passieren.« Trimble achtete kaum auf die Karten und Videos an der Wand. »Das sollte einfach nicht passieren.«
»Sie müssen uns helfen!«, verlangte Woolf. »Wir müssen uns gegenseitig helfen!«
»Lassen Sie mich in Ruhe!« Plötzlich schritten die Partials zur Tür und schleppten Woolf und Marcus mit sich. Die Hände packten zu wie Eisenklammern und bugsierten die Besucher hinaus wie kleine Kinder. Woolf und Marcus setzten sich lautstark zur Wehr, doch es nutzte nichts. Der Wächter schloss die Tür hinter ihnen. Erst draußen bemerkte Marcus, dass Vinci vor Anstrengung keuchte, die leeren Hände anspannte und wieder öffnete und dabei zu Boden starrte. Marcus konnte nicht erkennen, ob es Wut, Erschöpfung oder etwas anderes war. Hass? Scham?
»Es tut mir leid«, sagte Vinci. »Ich hatte gehofft … Ich habe Sie gewarnt, aber trotzdem. Ich hatte mir mehr erhofft.«
34
»Lassen Sie uns wieder hinein!«, knurrte Woolf.
»Wir befinden uns mitten in einem Krieg«, erwiderte Vinci. »In der Stadt wird gekämpft. Wenn es schlecht läuft, greifen die Kämpfe auch auf dieses Gebäude über. Trimble hat keine Zeit, mit Ihnen zu reden.«
»Aber sie tut überhaupt nichts«, widersprach Marcus. Er sah sich zu den anderen um. Die Partials erwiderten seine Blicke nicht. »Wir alle haben die Frau gesehen – ein traumatisches Stresssyndrom wie aus dem Lehrbuch. Sie konzentriert sich nicht, sie reagiert nur noch mechanisch, sie nimmt nicht einmal ihre Umgebung wahr. Das kann doch nicht die Frau sein, die Ihre Truppen anführt.«
Die Partials schwiegen.
»Sie sagte, sie sei menschlich«, ergänzte Woolf. »Noch schlimmer, sie sei menschlich gewesen. Was heißt das? Ich dachte, sie sei ein Partialgeneral.«
»Die Partialgeneräle sind eigentlich immer Männer«, entgegnete Marcus, der sich an Samms Erklärung des Kastensystems erinnern konnte. »Jedes Modell wurde für eine bestimmte Aufgabe geschaffen. Die älteren Partialfrauen waren alle Ärztinnen.«
»Sie war keine Partialfrau«, erwiderte Woolf. »Sie war ein Mensch, aber sie ist es wohl nicht mehr.« Allmählich kochte Zorn in ihm hoch. »Erklären Sie uns, was hier los ist!«
»Es tut mir leid, dass wir Sie hinausgeschleppt haben«, sagte Vinci. »Wir konnten uns nicht dagegen wehren.«
»Hätten Sie doch den Befehl verweigert!«, knurrte Woolf.
»Nein, das konnten sie nicht«, sprang Marcus dem Partial bei, denn ihm wurde plötzlich einiges klar. »Sie hat den Link benutzt. Sie hat ihnen befohlen, uns hinauszubefördern, und das mussten sie befolgen, ob sie es wollten oder nicht.«
Woolf runzelte die Stirn. »Wie kann eine menschliche Frau ein Partialgeneral werden und Zugang zu den Pheromonen des Links bekommen?« Er durchbohrte die beiden Partials mit Blicken. »Was ist hier los?«
Als Vinci zu einer Antwort ansetzte, legte ihm der andere Soldat eine Hand auf den Arm und wollte ihn aufhalten. Vinci übersah die Geste und setzte zu einer Erklärung an. »Sie ist schon seit einer ganzen Weile so. Wir kämpfen seit Jahren gegen Morgan. Überwiegend sind es kleine Scharmützel, die alle aus einer grundlegenden Meinungsverschiedenheit heraus entstanden. Wir sind uneins, was mit euch Menschen auf Long Island geschehen soll. Die Frage ist, ob eure Existenz eine Bedrohung oder eine Notwendigkeit ist, ob wir das Recht haben, euch auszulöschen, ob wir euch in Ruhe leben und sterben lassen sollten oder ob es vielleicht sogar in unserem Interesse wäre, eine menschliche Bevölkerung am Leben zu erhalten … Als aber das Verfallsdatum seine Wirkung zeitigte und unsere Leute starben,
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