Fragmente: Partials 2 (German Edition)
das blubbernd aus der Wunde im Brustkorb strömte, verriet Marcus, dass das Herz noch schlug. Er legte beide Hände auf die Wunde und drückte so fest wie möglich zu. Als jemand ihn unsanft wegriss, schrie er auf.
»Ich will ihn retten!«
»Er ist tot«, sagte der Soldat hinter ihm. »Geh in Deckung!«
Marcus befreite sich mit einem Ruck und kroch zu dem Gefangenen zurück. Woolf rief etwas und deutete auf das Krankenhaus. Marcus achtete nicht darauf, sondern presste dem Verletzten die Hände wieder auf die Brust. Seine Finger waren rot und glitschig, das warme arterielle Blut war ihm über den ganzen Arm gespritzt. Er rief um Hilfe. »Kann mir jemand ein Hemd oder eine Jacke geben? Er blutet vorn und hinten, und ich kann die Blutung nicht mit den Händen stillen!«
»Sei nicht so dumm!«, drängte der Soldat hinter ihm. »Du musst in Deckung gehen.« Als Marcus sich zu dem Soldaten umwandte, bemerkte er Senatorin Delarosa, die noch die Handschellen trug und hinter ihm hockte.
»Rettet sie zuerst!«, rief Marcus.
»Er ist dort drüben!« Woolf deutete auf die Gebäude hinter dem Krankenhaus. »Der Schütze ist da drüben! Jemand muss ihn umgehen.«
Das Blut quoll durch Marcus’ Finger, lief ihm über die Hände und breitete sich auf der Brust des Gefangenen aus. Das Blut aus der Austrittswunde sammelte sich unter dem Rücken des Mannes zu einer Lache, die schließlich auch Marcus’ Knie und die Hosen erreichte. Dennoch hielt Marcus den Druck aufrecht. Der Gefangene atmete noch, und Marcus rief abermals um Hilfe. »Er stirbt gleich!«
»Lass ihn los!«, rief der Soldat laut und wütend. Blut und Adrenalin beherrschten die Welt. Marcus bemühte sich, nicht vollends die Fassung zu verlieren. Als endlich Hände auftauchten, die bei der Bekämpfung der Blutung helfen wollten, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass sie Delarosa und nicht dem Soldaten gehörten.
»Jemand muss da rüber!«, rief Woolf. »In den Ruinen sitzt ein Heckenschütze!«
»Es ist zu gefährlich«, widersprach ein anderer Soldat, der sich ins Gebüsch gekauert hatte. »Wir können nicht angreifen, solange uns der Heckenschütze im Visier hat.«
»Er hat nicht uns im Visier, er zielt auf die Gefangenen.«
»Es ist zu gefährlich«, beharrte der Soldat.
»Dann ruft Verstärkung!«, verlangte Woolf. »Umzingelt ihn! Tut etwas und steht nicht nur herum!«
Marcus spürte keinen Herzschlag mehr. Das Blut in der Brust des Opfers pulsierte nicht mehr, der Körper war erschlafft. Er pumpte und wusste schon, dass es sinnlos war, konnte den Schock jedoch nicht überwinden und machte weiter.
»Warum kümmert es Sie überhaupt?«, fragte der Soldat. Marcus blickte zu dem Mann auf, der mit Senator Woolf sprach. »Vor fünf Minuten haben Sie eine Hinrichtung verlangt, und nun ist er tot. Und Sie wollen den Mörder fangen?«
Woolf fuhr herum und richtete sich dicht vor dem Soldaten auf. »Wie heißen Sie, Soldat?«
»Cantona, Sir. Lucas Cantona«, antwortete der Mann kleinlaut.
»Soldat Cantona, was haben Sie zu beschützen geschworen?«
»Aber er ist …«
»Was haben Sie zu beschützen geschworen?«
»Das Volk, Sir.« Cantona schluckte schwer. »Und das Gesetz.«
»In diesem Fall sollten Sie lieber genau und gründlich nachdenken, bevor Sie beides im Stich lassen.«
Delarosa, deren Hände und Arme mit dem Blut des Gefangenen besudelt waren, warf Marcus einen Blick zu. »So endet es eben manchmal.«
Marcus hörte sie zum ersten Mal seit Monaten sprechen. Der Schreck riss ihn aus seiner Benommenheit, und ihm wurde bewusst, dass er die Hände immer noch auf Weists leblosen Oberkörper presste. Keuchend zog er sie zurück und starrte den Toten an. »Was endet so?«
»Alles.«
4
»Ich glaube, es war die Abwehr«, meinte Xochi.
Haru schnaubte. »Glaubst du wirklich, die Abwehr tötet den Mann, der sie im Senat vertreten hat?«
»Das ist die einzige Erklärung«, entgegnete Xochi. Sie saßen im Wohnzimmer und verzehrten die letzten Überreste des Abendessens: gegrillten Kabeljau und frisch gedünsteten Broccoli aus Nanditas Garten. Marcus hielt inne, als ihm bewusst wurde, dass er das Grundstück immer noch als Nanditas Garten bezeichnete, obwohl die Besitzerin schon seit Monaten vermisst wurde. Sie hatte nicht einmal gepflanzt, was inzwischen geerntet wurde – das hatte Xochi getan. Xochi und Isolde waren die Einzigen, die noch in dem Haus lebten, und trotzdem betrachtete er Nandita nach wie vor als Eigentümerin.
Natürlich
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