Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Als sie in den schwarzen Schacht hinabblickte, wurde ihr leicht schwindelig. Sie hielt sich an den Metallstangen fest, schwang sich hinüber, ertastete die nächsten Sprossen mit den Füßen und kletterte hinunter. Die Türen der Stockwerke waren beschriftet. Erleichtert atmete sie auf, als sie das Erdgeschoss hinter sich ließ und weiter unten ein großes A entdeckte. In der Etage C hielt sie inne und suchte den Ausgang. Neben der Leiter gab es eine Wartungsluke. Sie drehte den Knopf herum, und die Klappe öffnete sich geräuschlos.
Der Flur dahinter war hell erleuchtet. Die Luft roch frisch und wurde offenbar ständig umgewälzt. Weit entfernt hörte sie Schritte, nicht mehr als ein schwaches Echo in der Leere.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und lähmende Angst ergriff Besitz von ihr. War Heron schon hier? Oder jemand anders? Hatte man den Lärm bemerkt, als sie den Aufzug geholt hatte? Schlich nur eine Person durch das Gebäude, oder waren es mehrere? Näherten sich die Schritte, oder entfernten sie sich? Sie wusste es nicht, und diese Unsicherheit versetzte sie in große Angst. Allmählich kam sie wieder zu sich und dachte nach. Wer immer es sein mag, ich muss durch diese Luke steigen. Nein, ich kehre nicht um! Endlich kann ich erfahren, wer oder was ich bin. Sie zögerte kurz und überlegte, ob es in diesem Hochhaus wohl ein Sicherheitssystem gab, das sie angreifen würde. Allerdings hatte sie beim Öffnen der Luke keinen Alarm ausgelöst. Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen, zog die Pistole aus dem Hosenbund und kletterte in den Abgrund.
Der Flur hatte weiße Wände, aber auch der Boden sowie die Decke reflektierten das Licht und trugen zur Helligkeit bei. So gewann Kira den Eindruck, sich in einem Krankenhaus zu befinden. Im Boden spürte sie schwache Vibrationen, ähnlich dem Motor des Aufzugs, aber beständiger, wie ein leises Summen im Hintergrund. Das Kraftwerk? , überlegte sie. Oder die Luftumwälzung. Sie spürte einen leichten Luftzug, weder warm noch kalt, sondern einfach nur eine Luftbewegung. Dann hörte sie wieder Schritte. Diesmal war sie sicher, dass es sich um eine einzige Person handelte. Sie bemühte sich, etwas über den Link aufzufangen und vielleicht Heron zu entdecken, empfing aber nicht das Geringste. Dann überprüfte sie die Waffe – die Kammer und das Magazin – und vergewisserte sich, dass sie schussbereit war. Leise ging sie weiter. Falls wirklich jemand umherschlich, wollte sie sich nicht zu früh verraten.
Ebene C war ein Labor und erheblich besser erhalten als die höheren Stockwerke. Was auch immer die Partials mit dem Gebäude angestellt hatten, die tieferen Etagen hatten sie nicht beschädigt. Kira ging weiter und entdeckte Büros, Konferenzräume, Labors, Duschen und sterile weiße Räume mit Gerätschaften, die sie nicht kannte. War dies die Einrichtung, in der Vale sein Heilmittel herstellte? Das schien durchaus einleuchtend. ParaGen verfügte zweifellos über eine hervorragende gentechnische Ausrüstung. Waren diese Hilfsmittel der Grund, warum das Heilmittel angeblich nicht transportfähig war? Vielleicht hatte sie gerade eben sogar Vale gehört. Kira bewegte sich schneller voran.
Abermals hallten Schritte durch einen Flur, und als sie weiterging, vernahm sie schließlich sogar eine Stimme, die etwas Unverständliches murmelte. Irgendjemand sprach dort leise. Beinahe lautlos schlich sie weiter, wusste sie doch nicht, ob sie auf Freund oder Feind stoßen würde. Würde ein Eindringling sofort angreifen? Galt Kiras Gegenwart von vornherein als Bedrohung? Welche Waffen benutzten die Unbekannten, und wie gut wussten sie sie einzusetzen? Würde man sie sofort töten, um das Geheimnis dieses Hauses zu wahren?
Ich muss die Gefahr in Kauf nehmen. Nun bin ich so weit gekommen, nun will ich es wissen.
Sie bog um die letzte Ecke, betrat einen großen Raum und schrak zusammen. In zwei langen Reihen waren zehn Metalltische hintereinander aufgestellt, und auf jedem Tisch lag ein ausgemergelter, bis zum Skelett abgemagerter Mensch. Alle waren mit dicken Bündeln von Schläuchen, Leitungen und Kabeln verbunden, die Nährmittel in die Körper pumpten beziehungsweise Abfallstoffe oder aufbereitetes Blut ableiteten. Die Gesichter waren nicht zugedeckt, und im Hals jeder Versuchsperson steckte ein dünner Schlauch, der mit den Anschlüssen verbunden war. Diese Gestalten sahen eher wie tot aus, hätten sich nicht die Brustkörbe gehoben und gesenkt und hätten nicht die
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