Fragmente: Partials 2 (German Edition)

erkannte sie die Spuren von Katzen und Vögeln. »Samm, alles in Ordnung?« In diesem Bereich des Gebäudes konnten sie nicht mehr von draußen entdeckt werden. Ein besseres Versteck ließ sich kaum finden. »Samm, rede mit mir!«
    »Nicht …« Er sprach schleppend und leise, als müsste er mit jedem Wort gegen einen gewaltigen Widerstand ankämpfen und fände kaum noch die Kraft, überhaupt einen Laut hervorzubringen. Er wandte den Kopf hin und her, riss die Augen weit auf und hatte große Mühe, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie wartete, dass er den Satz beendete, doch die folgenden Worte zielten in eine ganz andere Richtung. »Heron … hier.« Wieder eine Pause. »Schläft.« Sein Blick wirkte verschwommen und richtete sich ins Leere. »Finde … es.«
    »Ich soll es finden? Was denn?« Sie schüttelte ihn und flüsterte ihm drängend ins Ohr, doch er reagierte kaum noch. Er schläft … fast. Anscheinend ist auch Heron in der Nähe. Kira strengte sich an, um über den Link eine Spur von Heron zu entdecken. Allerdings hatte sie diese Fähigkeit noch nie bewusst zu steuern vermocht, sondern immer nur im Kampfrausch darüber verfügt, wenn ihr Körper genügend Adrenalin ausgeschüttet hatte. Aber diese Situation ist so stressig, dass ich etwas über den Link empfangen sollte, dachte sie. Was gerade mit Samm passiert, bringt mich völlig aus der Fassung, und doch spüre ich nichts. Sind die Kampfpheromone etwa stärker? Oder bin ich dazu konstruiert, ausschließlich Kampfpheromone und nichts anderes wahrzunehmen?
    Sie überprüfte Samms Puls und seine Atmung. Beides schien normal. Seit er den Widerstand eingestellt und sich dem Schlaf ergeben hatte, waren seine Körperfunktionen offenbar wiederhergestellt. Kira stand auf und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte – bei ihm bleiben, bis er aufwachte? Ihn liegen lassen und weitergehen? Das schien die einzig sinnvolle Vorgehensweise zu sein, die ihr allerdings nicht behagte. Sie schleppte ihn zur Wand und richtete ihn auf. Den Oberkörper lehnte sie gegen zwei Computer, die sie aus benachbarten Büroräumen holte. Er schlief inzwischen so fest, dass sie befürchtete, er sei zu träge, um zu reagieren. Vielleicht erstickte er, wenn er sich übergab oder Speichel absonderte. Solange er saß, war zumindest diese Gefahr gebannt.
    Hat ihm etwa jemand ein Beruhigungsmittel verabreicht?, überlegte Kira. Aber warum sollte jemand so etwas tun – und vor allem: wie? Hat Calix ihm etwas eingeflößt? Aber warum hat sie ihn erst betäubt und ist dann weggegangen? Kira schüttelte den Kopf. Ich werde ihn befragen, wenn er zu sich kommt. Inzwischen bin ich allerdings auf mich allein gestellt. Unsere Mission ist fast erfüllt, und ich weiß nicht, wann man im Reservat misstrauisch wird und nach uns sucht. Wenn ich jetzt aufgebe, bekomme ich vielleicht keine zweite Gelegenheit mehr, die Suche fortzusetzen. In dieser Hinsicht hat Samm recht. Ich muss die Akten finden.
    Stumm bat sie Samm um Verzeihung und durchsuchte die Schreibtische nach einem Hinweis oder einer Karte, nach irgendeinem Fingerzeig, wo sie mit der Suche beginnen sollte. Sie war zwar überzeugt, dass der Trust namentlich nirgends erwähnt wurde, aber die meisten Namen waren ihr aus den Akten bekannt, die sie in Chicago gefunden hatte. Im Geist ging sie alle noch einmal durch: Graeme Chamberlain, Kioni Trimble, Jerry Ryssdal, McKenna Morgan, Nandita Merchant und Armin Dhurvasula. Mein Vater. Sie entdeckte ein kleines Verzeichnis und forschte nach den Namen, fand jedoch keinen einzigen.
    Dann beschloss sie, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Welche Hinweise hatte sie bereits gesammelt? Welche Puzzleteile kannte sie schon? Sie brauchte eine Weile, um ihre Gedanken zu ordnen. In den letzten Wochen hatte ihre Aufmerksamkeit nur der Durchquerung des Ödlands und dem nackten Überleben gegolten, sodass in ihrem Kopf kaum etwas anderes Platz gehabt hatte. Sie rief sich die Rätsel vor Augen, die sie lösen musste. Dr.   Morgan hatte den Auftrag erhalten, die übermenschlichen körperlichen Eigenschaften der Partials zu erschaffen: die Muskelkraft, die Reflexe, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und die erstaunlichen Selbstheilungskräfte. Jerry Ryssdal hatte an den Sinnesorganen gearbeitet. Kiras Vater hatte den Link und das ganze System der pheromonischen Kommunikation entwickelt. Über Trimble wusste sie immer noch nichts. Die Letzten auf ihrer Liste waren Grame Chamberlain und