Fragmente: Partials 2 (German Edition)
sie aber noch lange nicht zu Menschen.«
Kira schloss wütend und entnervt die Augen und schüttelte den Kopf. Sie fand diese Enthüllungen so widerwärtig, dass sie kaum noch sprechen konnte. »Sie müssen die Partials freilassen!«
»Und was dann?« Vale machte eine umfassende Geste, die nicht nur das Labor, sondern das ganze Reservat oder womöglich sogar die ganze Welt einschloss. »Sollen wir alle so leben wie Ihre Leute? Sollen wir uns vergeblich abrackern, um eine Krankheit zu heilen, die nicht geheilt werden kann? Zusehen, wie Tausende unserer Kinder sterben, damit zehn Männer – zehn Feinde, die rebelliert und Menschen ermordet haben – nicht mehr leiden müssen?«
»Es ist viel komplizierter«, hielt Kira dagegen.
Vale nickte. »Genau das meine ich. Sie finden es grausam, dass Partials bewusstlos und ausgezehrt auf diese Weise festgehalten werden? Ich dagegen sage: Es wäre viel grausamer, sie freizulassen. Wissen Sie, wie ich die Partials unter Betäubung halte? Kommen Sie!« Er trat ans Ende der ersten Reihe. Der Partial auf dem letzten Tisch sah seinen Leidensgenossen zwar ähnlich, war jedoch anders ausgerüstet. Bei ihm steckte nicht nur ein Schlauch im Kehlkopf, sondern die ganze Kehle wurde von einem Beatmungsgerät verdeckt. Kira näherte sich langsam, die Waffe in ihrer Hand war längst vergessen. Schließlich erkannte sie, dass in die Apparatur eine Reihe kleiner Ventilatoren eingebaut war.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Ein Luftumwälzer«, erklärte Vale. »Ich nenne diesen Partial Williams. Er war meine letzte Schöpfung, bevor Zeit und Krieg unsere gentechnische Ausrüstung unbrauchbar machten. Er produziert kein Ambrosia, sondern ein anderes von mir entwickeltes Medikament – ein extrem starkes Betäubungsmittel, das nur auf Partials wirkt. Ich kann Ihnen versichern, dass die zugrunde liegende Biomechanik ungeheuer kompliziert ist.«
Kira wurde die Kehle eng, als sie an Samm dachte. Vale nickte und schien zu erraten, was ihr durch den Kopf ging. »Ich nehme an, Ihr Partialfreund liegt irgendwo dort oben in tiefem Schlaf.« Er deutete an die Decke hinauf. »Das Ventilationssystem des Turms funktioniert noch erstaunlich gut und befördert das Mittel durch das ganze Gebäude und sogar in das Reservat hinaus. Mich würde interessieren, wie weit er gekommen ist, bevor er zusammenbrach. Williams könnte zu unserer wichtigsten Verteidigungswaffe werden, falls uns die Partials, die Sie erwähnt haben, jemals angreifen sollten.«
Kira dachte nach. Samm hatte die Wirkung des Mittels erst in der Nähe der großen Lichtung verspürt, höchstens fünfzig Meter vom Turm entfernt, war aber den ganzen Nachmittag über seltsam antriebslos gewesen. Lag dies am Beruhigungsmittel, oder gab es noch andere Gründe?
Wie weit musste sie ihn schleppen, damit die Wirkung nachließ?
Sie wandte sich wieder an Vale. »Das können Sie nicht tun!«
»Das sagten Sie schon.«
»Sie können doch nicht einfach eine Person in eine Waffe verwandeln.«
»Mein Kind«, erwiderte er, »was sind denn die Partials Ihrer Meinung nach?«
»Nun … natürlich sind sie genau das«, gab Kira zu. »Aber sehen Sie sich an, was dann geschehen ist! Haben Sie aus dem Ende der Welt nichts gelernt?«
»Ich habe gelernt, menschliches Leben um jeden Preis zu schützen«, sagte Vale. »Solange wir falsche Rücksicht genommen haben, waren wir dem Abgrund gefährlich nahe.«
»Sie tun das alles doch nicht, um die Menschheit zu schützen!«, zischte Kira. Sie wich zurück und hob die Pistole. »Sie tun es aus Machtgier. Sie haben die Macht über das Heilmittel, also haben Sie Macht über alles, und jeder muss nach Ihrer Pfeife tanzen.«
Vale lachte laut heraus. Der Ausbruch kam völlig unerwartet und klang ehrlich belustigt. Kira wich unwillkürlich noch weiter zurück. Was übersehe ich jetzt schon wieder?, fragte sie sich.
»Haben Sie hier irgendwelche Unterdrückungsmaßnahmen bemerkt?«, entgegnete er. »Regiere ich mit unsichtbarer eiserner Faust? Wirken die Menschen im Reservat unglücklich?«
»Das heißt nicht, dass sie auch frei sind«, erwiderte Kira.
»Aber natürlich sind sie frei«, antwortete Vale. »Sie können nach Belieben kommen und gehen. Wir haben weder Wächter noch Polizei. Es gibt keine Sperrstunde, sondern nur die Gefahren durch den Säureregen. Nirgends sind Grenzzäune errichtet – nur das Ödland ringsum beschränkt unsere Bewegungsfreiheit. Ich verlange keinen Tribut, ich überwache weder die
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