Fragmente: Partials 2 (German Edition)
erbleichte.
»Dann würdest du ihn töten?«
»Ich wäre nicht glücklich darüber«, entgegnete Samm. »Aber wie sähe die Alternative aus? Eine ganze Gemeinschaft für eine einzige Person opfern? Man muss tun, was für die Mehrheit am besten ist, sonst verfällt man in die Tyrannei.«
»Dann würdest du einen für die anderen neun opfern«, sagte Kira. »Aber du willst nicht zehn opfern, um Tausende zu retten. Das passt doch nicht zusammen. Ist es diese Stadt voller Menschen denn nicht auch wert, dass man das Beste für sie anstrebt?«
»Ich will damit sagen, dass wir lebendige Wesen nicht benutzen sollten, weil lebendige Wesen keine Dinge sind«, erwiderte Samm. »Andererseits dürfte mich das nicht stören, nachdem wir genau das Afa angetan haben.«
»Entschuldigung!«, gab Kira zurück. »Ich bin diejenige, die ihn unentwegt verteidigte. Ich bin immer wieder für ihn eingetreten und habe alles getan, damit er gesund blieb. Ich war freundlich zu ihm …«
»Wir haben ihn in eine Situation gezerrt, mit der er nichts zu tun hatte, weil wir ihn brauchten«, widersprach Samm. »Wir haben ihn für unsere eigenen Zwecke benutzt. Ich sage nicht, dass du es getan hast – wir alle haben es getan, wir haben ihn mitgeschleppt. Aber es war falsch, und nun ist er tot. Das sollte uns eine Lehre sein.«
»Soll denn die Lehre darin bestehen, dass noch mehr Leute sterben?«, entgegnete sie. »Ich weiß nicht, inwieweit Afas Tod unsere Schuld war. Im Grunde trage ich die größte Verantwortung, doch ich will mein Gewissen nicht damit belasten. Gleichgültig, wie sehr ich mich bemühte, ich konnte ihn nicht retten. Ich konnte auch die nächste Generation menschlicher Kinder nicht retten. Darüber bin ich nicht glücklich, und Vale ist auch nicht glücklich. Wir reden hier jedoch über unwiderrufliche Entscheidungen. Gleichgültig, was wir tun, für eine Seite ist es immer tragisch und furchtbar. Aber welche Möglichkeiten bleiben uns überhaupt noch? Gar nicht entscheiden? Uns hinsetzen und alle sterben lassen? Das wäre das Schlimmste überhaupt.«
Samm antwortete leise, nicht mehr aggressiv, sondern nur noch traurig. »Ich glaube nicht an ausweglose Situationen.«
»Wie lautet dann die Antwort?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte er. »Aber ich weiß, dass sie dort draußen auf uns wartet.«
Kira wischte sich die Tränen mit dem Handrücken ab und wedelte mit dem Streifen, den sie aus dem Jackett geschnitten hatte. »Reich mir deinen Arm!«, sagte sie. »Ich muss ihn verbinden.«
»Immer schön langsam«, sagte Calix. Kira und Samm fuhren zu dem blonden Mädchen herum, das mit gezogener Pistole hinter ihnen stand. Das Gewehr hatte sie sich über den Rücken geschlungen. »Vielen Dank für die hitzige Debatte«, sagte Calix. »So konnte ich euch viel leichter finden.«
»Ich habe keine Patronen mehr.« Kira blickte zu ihrem Rucksack auf der anderen Seite des Büros hinüber.
»Ich habe noch welche«, sagte Samm. »Aber bevor ich die Waffe erreiche, könnte sie uns beide erschießen.«
»Das siehst du völlig richtig«, bestätigte Calix. »Wie wäre es, wenn du die Pistole schön langsam herausziehst und zu mir herüberschiebst?« Samm gehorchte, hob die Waffe mit zwei Fingern hoch, ohne dem Abzug zu nahe zu kommen, und legte sie auf den Boden. »Gut so«, lobte Calix. »Und jetzt schieb sie herüber!« Er versetzte der Pistole im Sitzen einen unbeholfenen Tritt, sie bückte sich und hob sie auf. Dabei hielt sie ihre eigene Halbautomatik die ganze Zeit mit der anderen Hand auf Samm und Kira gerichtet. Calix vergewisserte sich, dass Samms Waffe gesichert war, und steckte sie in eine Tasche am Gürtel. »Und bevor ich euch ins Reservat zurückbringe, verlange ich Antworten auf einige Fragen. Zuerst einmal …« Ihre Stimme schwankte leicht. »Seid ihr wirklich Partials?«
»Das sind wir«, erwiderte Kira, »aber das macht uns nicht zu Feinden.«
»Doktor Vale sagt, ihr wollt uns das Heilmittel für RM wegnehmen.«
»Das ist …« Kira wandte sich an Samm, dann wieder an Calix. »Wir wollen nicht, dass jemand stirbt.«
»Aber ihr habt darüber gesprochen, sein Labor stillzulegen.«
»Weißt du, woraus das Heilmittel besteht?«, fragte Samm.
»Es ist eine Spritze«, erklärte Calix.
»Aber weißt du auch, wie er das Medikament herstellt?«
Calix’ Verwirrung verflog, und ihre Miene zeigte Entschlossenheit. »Das spielt doch keine Rolle.«
»Das Mittel wird aus Partials gewonnen«, erklärte Kira.
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