Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Anscheinend waren so gut wie alle Bewohner des Reservats auf den Beinen und verfolgten sie. Inzwischen war Kira so müde, dass sie kaum noch stehen konnte. In einer alten Bank hatten sie Zuflucht gefunden. »Ich weiß nicht, ob ich noch einen Schritt weitergehen kann. Inzwischen weiß ich, wie du dich im Turm gefühlt hast.«
»So fühle ich mich immer noch«, gestand Samm. Er brach an der Wand zusammen und sank langsam zu Boden. Seine Armwunde hinterließ einen blutigen Streifen. »Was immer er als Betäubungsmittel eingesetzt hat – es ist äußerst wirksam. Flick mich zusammen!«
Kira blieb noch kurz am Fenster stehen und beobachtete die Straße, ob sich etwas bewegte oder ob sie verfolgt wurden. Immer noch nervös, gesellte sie sich schließlich zu Samm und packte die Reste ihrer Erste-Hilfe-Ausrüstung aus. Den Großteil ihrer Habseligkeiten hatte sie in Calix’ Zimmer zurückgelassen und in ihrem Rucksack nur das Allerwichtigste verstaut: die Waffe, für die sie keine Munition mehr besaß, und einen Stoß Dokumente mit Wasserflecken aus Afas Lager. Eigentlich ließ sie auch den Computergriff nie aus den Augen, der mittlerweile allerdings in Vales Geheimlabor lag. Sie tupfte die Wunde auf Samms Arm ab. Vales Kugel hatte eine blutige Furche hinterlassen und den Trizeps verletzt. Kira verabreichte Samm eine Handvoll Antibiotika.
»Wie ich dein Immunsystem kenne, brauchst du die Medikamente wahrscheinlich gar nicht, aber schluck sie trotzdem! Dann habe ich ein besseres Gefühl.«
»Es ist nicht deine Schuld.«
»Er hat auf mich gezielt«, erwiderte Kira. »Ich bin diejenige, die ihn in Zorn versetzt hat.«
»Und ich bin ihm absichtlich in die Quere gekommen«, entgegnete Samm. »Ich sagte dir ja schon, dass er den Link benutzt – ich wusste, auf wen er schießen wollte, bevor er abdrücken konnte.«
»Damit fühle ich mich auch nicht besser.« Kira suchte in ihrem Rucksack nach Verbandsmaterial, vergeblich. »Wir haben alles im Reservat zurückgelassen«, sagte sie. »Warte, ich sehe mich um.« Sie versteckten sich in den rückwärtigen Büros der Bank, weit entfernt von der Straße. Dort konnte sie gefahrlos aufstehen und sich nach einem Stück Stoff umsehen.
»Nachdem wir hier ein wenig verschnaufen können, solltest du mir erzählen, warum Vale uns plötzlich umbringen will«, sagte Samm. »Hat er uns erwischt, als wir im Turm herumgeschlichen sind?«
»Ich habe sein Geheimnis aufgedeckt.« Kira öffnete die Schubladen eines hölzernen alten Schreibtischs. Und er hat mein Geheimnis gelüftet. Sie war noch nicht bereit, Samm in alle Einzelheiten einzuweihen. Was würde er dazu sagen, dass ich die Krankheit in mir trage, die jeden Partial auf der ganzen Welt töten kann? »Er hat kein neues Heilmittel. Er erntet das Pheromon von einigen Partials, die er im Turm betäubt gefangen hält. Einer von ihnen wurde modifiziert und produziert inzwischen ein starkes Beruhigungsmittel für Partials. Deshalb bist du beim Betreten des Gebäudes ohnmächtig geworden, und deshalb sind seine Opfer so wehrlos.«
Samm schwieg eine ganze Weile, bevor er antwortete. »Das klingt schrecklich.«
»Ich weiß.«
»Wir müssen ihn aufhalten.«
»Ich weiß«, wiederholte Kira. »Vorher sollten wir aber noch einige andere Punkte bedenken. Zum Beispiel müssen wir aufpassen, dass du nicht an Blutverlust stirbst.« In einem kleinen Wandschrank entdeckte sie eine Anzugjacke. Auf Long Island wäre dieses Kleidungsstück wegen hoher Luftfeuchtigkeit nach zwölf Jahren verschimmelt gewesen, doch hier in der Wüstenstadt war es noch recht gut erhalten. Sie ging neben Samm in die Hocke und schnitt den Stoff mit dem Messer in breite Streifen. »Ich wollte dich schon immer in einem Anzug sehen.«
»Wir müssen sie befreien.«
Kira hielt mitten in der Bewegung inne. »So einfach ist das nicht.«
»Wir kehren in der Nacht zurück. Und nachdem Heron schon so lange verschwunden ist, befindet sie sich vermutlich gleichfalls im Turm. Wir müssen sie finden und die Opfer befreien, die Vale gefangen hält.«
»Ich weiß«, stimmte Kira zu. »Aber es ist nicht so einfach. Die gefangenen Partials sind nur noch Skelette. Ich weiß nicht, ob sie außerhalb des Labors überhaupt überleben würden. Und bei einem Befreiungsversuch könnten sie uns auch gar nicht unterstützen.«
»Würdest du das Gleiche sagen, wenn es menschliche Gefangene wären?«
Die Frage traf Kira, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben. »Ich sage nicht, dass du
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