Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Isoldes Hass auf Nandita wich allmählich einem tiefen Entsetzen. Wenn sie Partials waren, dann waren sie Ungeheuer. Sie hatten die Welt zerstört – vielleicht nicht persönlich, aber sie waren ein Teil der zerstörerischen Kräfte. Zumindest würden alle, mit denen sie aufgewachsen waren, so denken. Schon trat Senatorin Kessler vor und schob sich zwischen Xochi und die Partialungeheuer, die sie zuvor als Freundinnen ihrer Tochter betrachtet hatte. Was sollte nach Ansicht der Senatorin nun geschehen? Würde Ariel, die erfahren hatte, dass sie eine Partialfrau war, plötzlich Menschen umbringen? Würden die Bewohner der Insel sie für eine Verräterin und Schläferin halten? Für eine Närrin oder ein Ungeheuer? Ariel hatte wenigstens keine Freunde, die sie verraten konnte. Sie war isoliert, nachdem sie jahrelang draußen gelebt hatte. Isolde dagegen hatte Freunde, Angehörige, einen Job – sogar einen Job im Senat, im Herzen der Regierung der Menschen. Würde man sie für eine Spionin halten? Wie würde man mit einer Spionin der Partials verfahren, ob sie nun schwanger war oder nicht?
Wie würden sich die Partials verhalten, wenn sie es herausfanden? Oder wussten sie es etwa schon? Konnte Ariel sich an sie wenden, sie um Hilfe bitten oder zur Beendigung der Besetzung veranlassen? Vielleicht gaben sie nach, wenn jemand aus den eigenen Reihen sie darauf ansprach …
Jemand aus den eigenen Reihen. Eine Partialfrau. Ariel lehnte sich von ganzem Herzen gegen diese Vorstellung auf, und ihr wurde übel. Sie rannte in die Küche und übergab sich ins Spülbecken. Eine Partialfrau. Alle ihre Vermutungen über Nandita entsprachen der Wahrheit. Es war sogar noch viel schlimmer.
Niemand kam in die Küche, um ihr beizustehen.
»Was ist mit Isoldes Baby?«, fragte Xochi unsicher. »Ist es … was wird es sein? Ein Mensch oder ein Partial?«
»Ich bin keine Partialfrau!«, kreischte Isolde.
Ariel reinigte sich Gesicht und Mund und starrte durch das Küchenfenster in die Dunkelheit hinaus.
»Ich nehme an, es wird beides sein«, erklärte Nandita. »Eine Mischform zwischen Mensch und Partial. Wir haben eine Kreuzung immer für möglich gehalten, aber … Ich müsste weitere Untersuchungen durchführen und die Konsequenzen erst noch erforschen.«
Ariel kehrte zurück. Sie fühlte sich plötzlich anders, sehr viel distanzierter. Stärker als je zuvor.
»Du hast also jahrelang versucht, das Heilmittel zu aktivieren«, überlegte Madison. »Und dann … bist du einfach losgezogen, um es anderswo anzuwenden? Ohne die Mädchen?«
»Wie ich schon sagte, ich fand ein Labor, das mit Strom versorgt und funktionstüchtig war. Ich hätte die Mädchen geholt, aber das politische Klima war nicht gerade freundlich.«
»Wir sind nicht dumm«, zischte Kessler. »Hätten Sie uns gesagt, dass Sie an einem Heilmittel arbeiten …«
»Dann hätten Sie mich ebenso abgeblockt wie Kira«, erwiderte Nandita. »Und wenn ich Ihnen eröffnet hätte, was Sie gerade erfahren haben, dann hätten Sie mich ins Gefängnis geworfen oder auf der Stelle getötet.«
»Dann hör auf, darüber zu reden, und tu es endlich!«, verlangte Isolde. »Du bist doch zurückgekehrt, weil du das Heilmittel gefunden hast, oder? Setz es frei, dann können wir alle retten.« Wieder legte sie die Hände auf den Bauch. Ariel verspürte neue Hoffnung, bis Nandita den Kopf schüttelte.
»Was ist?«, fragte Xochi. »Hast du es nicht gefunden?«
»Natürlich habe ich es gefunden«, erwiderte Nandita. »Ich habe ursprünglich im Projekt mitgewirkt, elf Jahre lang die biologischen Daten der Mädchen gesammelt und in einem vorzüglichen Labor gearbeitet. Ich wusste, dass es einen Auslöser gibt, und ich habe die richtige chemische Mischung gefunden, um ihn zu aktivieren.« Aus dem Beutel, den sie um den Hals trug, zog sie ein kleines Reagenzglas und hielt es hoch. Es funkelte im Licht. »Aber dies ist nicht das Heilmittel. Irgendjemand hat das Heilmittel bereits aktiviert – bei jedem Partial, der es in sich trägt.« Sie wandte sich an Madison. »Kira hat es herausgefunden, während ich fort war, und so hat sie dein Baby gerettet.«
»Und was hast du denn nun herausgefunden?«, fragte Isolde. »Was löst der Inhalt des Reagenzglases aus?«
»Ich habe eine Ahnung«, erklärte Nandita. »Nur eine ungute Vorahnung.«
48
»Ich glaube, wir haben sie abgehängt«, flüsterte Kira. Sie keuchte vor Anstrengung, nachdem sie fast eine Stunde lang durch die Ruinen gerannt waren.
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