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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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nach Übersee gegangen ist.»
    «Aber», sagte Francie, «am liebsten von allen Tänzen mag ich den Destiny, und das heißt Schicksal. Jedenfalls wenn man den richtigen Partner hat. Verstehst du übrigens was von Herzschlägen?»
    Daphne sagte Nein, weil sie wusste, es wurde von ihr erwartet, dass sie Nein sagte.
    «Na ja, wenn du mit dem richtigen Partner tanzt, dann schlägt dein Herz mit seinem im gleichen Takt. Du kannst sein Herz fühlen, und er kann deins fühlen. Sie schlagen zusammen.»
    «So wie zwei Tennisbälle, die zusammenstoßen, oder?»
    «Ungefähr so, nur anders.»
    Dann drehte Francie das Gesicht zur Seite, denn sie gefiel sich im Profil besser als von vorn, und sie rang die Hände und setzte eine tragische, aber zugleich unnahbare und gleichgültige Miene auf und sagte:
    «Aber du verstehst es ja doch nicht richtig, das kannst du gar nicht, solange du nicht das erlebt hast, was ich erlebt habe. Ich habe gelitten. Wir leiden alle mit dem Herzen, und da sagst du, das Herz ist wie ein Tennisball.»
    «Ich habe das Schlagen und Springen gemeint.»
    «Das Herz», sagte Francie, «ist wie eine Feuerkugel.»
    Und das war alles, was sie Daphne von den Tanzabenden erzählte, alle Fragen über Nach-Hause-gebracht- und Geküsst-Werden ließ sie unbeantwortet.
    Doch manchmal abends, in der trauten Stunde, wenn selbst die rosafüßige Maus weniger Angst hat und der Igel sich draußen im Gras und Laub entrollt und umherschnüffelt und drinnen alles warm ist und kein Wirbelsturm der Welt die Mauern des Hauses bedroht, saßen Daphne und Francie zusammen auf dem alten Sofa in Francies Zimmer und versuchten, über alles zu sprechen, über die Welt, und wie es ist, wenn man erwachsen ist und einen Mann hat und Kinder und ein Haus mit einem Eingang, den man schrubben muss, und Spitzenvorhänge, die man waschen muss; und einen Garten mit sauberen grünen Gemüsereihen und Kohlköpfen, deren Hosen über dem Knie enden wie beim jungen Hahn im Hühnerhof; und Möhren mit ihrem zierlichen Grün und ihren Zwillingswurzeln; und einer Hecke, die hoch ist, damit die Nachbarn nicht hereinschauen können; und Babys, die kommen, und Mütter, die über den Zaun mit den Nachbarn schwatzen und vergleichen, vergleichen –
    und alles,
    und alles.
    Eines Abends, es war der letzte Abend, an dem Francie sich noch ausführlicher über das Erwachsenwerden ausließ, sagte sie zu Daphne:
    «Weißt du was?»
    «Was?»
    «Du kennst doch Ostern und die Eier in Silberpapier und das alles? Nun, solange wir Kinder sind, essen wir die Eier sofort auf, stimmt’s? Aber als Erwachsene hebt man sie auf.
    Und mit Schokolade und allen anderen schönen Sachen ist das genauso.»
    «Woher weißt du das?»
    «Von den Mawhinneys. Ihr Vorderzimmer ist voll von Ostereiern, die Mrs Mawhinney noch nicht einmal ausgewickelt hat.»
    «Warum?»
    «Ich weiß nicht. Wenn man erwachsen ist, hat man Angst, die guten Sachen wie Ostereier aufzuessen, weil man sie vielleicht nie wieder bekommt oder so, deshalb hebt man sie auf, bis man ganze Zimmer voll hat. Es ist, wie wenn man Geld ausgibt und es hinterher mit der Angst bekommt, weil man es ausgegeben hat; bloß dass es nicht das Geld ist, sondern irgendetwas im Innern, von dem sie fürchten, dass es ihnen ausgeht. Ich weiß das von den Mawhinneys und anderen. Und dann stirbt man und lässt sich selbst und die schönen Dinge eingewickelt zurück wie ein Osterei, immer noch im hübschen, glänzenden Papier mit der schwarzen gemaserten Schokolade darin. Ich weiß es. Ich finde, Erwachsene sind dumm.»
    Sie waren sich einig, dass Erwachsene dumm waren.
    «Aber man muss erwachsen werden. Das ist wie mit heute und morgen und übermorgen.»
    Und so ging es auch mit Francie – heute und morgen und übermorgen. Sie schwieg sich mehr und mehr über alles aus, was wirklich wichtig war. Sie verkroch sich in sich selbst wie eine von diesen schwarzen Schornsteinfegerbürsten, den kleinen Schnecken, die man am Strand findet; wenn man sie anfasst, ziehen sie sich in ihr Haus zurück und kommen nicht mehr heraus.
    Und jeden Tag, wenn Francie zur Arbeit aufbrach und die paar Meter bis zu den Mawhinneys ging, schien sie sich meilenweit zu entfernen. Und einmal, als Daphne der fortgehenden Francie durch die Hecke nachsah, dachte sie: Wenn sie doch nur einen Schatz dabei hätte, irgendwas in ihrem Innern, das ihr helfen könnte; wenn Erwachsene doch nur unterscheiden könnten, was ein Schatz und was kein Schatz ist,
    wenn doch nur,
    so

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