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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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Abend als Überraschung mitgebracht. Ich werde mein altes Daphne schenken, damit sie, wenn sie wieder gesund ist, eine Art materieller Basis für ihr Leben hat.
    Und jetzt fange ich wirklich mit meinem Tagebuch an.
    Im August oder Oktober ziehen wir in den Süden nach Waimaru. Ich bin aufgeregt und fürchte mich davor, den Schauplatz meiner Geburt und Kindheit wiederzusehen. Es kommt mir vor, als sollte ich an den Ort eines Verbrechens zurückkehren, aber dann wird Frühling sein und alle Knospen und die Narzissen werden auf sein. Ich sehne mich danach, sie zu sehen. Ich erinnere mich an ein Gedicht, das wir in der Schule gelernt haben, über Narzissen
am Rande des Sees, unter den Bäumen.
    Ich würde gern einen Vergleich einfügen, so wie es die Schriftsteller machen, um die Schönheit der Blüten in meiner alten Heimat zu beschreiben. Aber mir fällt nichts ein außer, dass sie leuchtend weiß sind.
    Ich habe noch immer nicht richtig mit meinem Tagebuch angefangen. Ich habe meinen Namen, Teresa, gern, und wenn sie mich zu Hause, wenn ich zu Besuch komme, lieber Chicks nennen wollen, werde ich einfach nicht antworten. Früher haben sie mich Chicks genannt, weil ich angeblich wie ein kleines, dunkles Küken umherlief und dauernd versuchte, die anderen einzuholen, und den Kopf gesenkt hielt, sodass mir die Haare über das Gesicht fielen, beinahe als ob ich am Boden nach Weizenkörnern pickte. Meine anderen Schwestern hatten interessante Namen. Da war Francie, eigentlich Frances, und obwohl sie lange Hosen trug und mein Vater auf sie böse zu sein schien, dachte ich immer, sie sei irgendwie mit dem heiligen Franziskus verwandt, der, wie ich glaubte, Tiere in seiner Hosentasche umhertrug und sie herausnahm und aus lauter Liebe lutschte, so wie Francie ein Pfefferminzbonbon oder einen sauren Drops lutschte. Und dann ist da Daphne, die, wie ich fand, duftete wie ein Blütenstrauch, ein Mittelding zwischen Flieder und Katzenminze. Und Toby, mein Bruder, bei dem ich mich an keinen besonderen Geruch erinnere. Er trug Hosenträger. Heutzutage tragen Kinder Gürtel und Männer auch. Ich würde mich halb totlachen, wenn ich Tim in Hosenträgern sähe. Er trägt Hosen mit Gummizug an den Seiten. Ich habe ihm eine zu Weihnachten geschenkt, und er hat mir eine Garnitur Nylon-Unterwäsche geschenkt von der Sorte, die atmet, blau, mit breitem Spitzenrand. Ich liebe Weihnachten, wenn die Kinder aufwachen, schon ehe es hell wird, und zu Tim und mir ins Bett klettern und uns ihre Geschenke zeigen und sich dann zwischen uns einkuscheln und noch mal einschlafen. Was für heiße kleine Körper und helle Augen und frische Stimmen sie haben, sie leuchten förmlich vor Frische. Und Peter fragt mich: Wer macht die Sonne aus?, als ob ich das wissen müsste. Die Dunkelheit ist eine Antwort, die Angst macht.
    16. Januar
    Die Waschmaschine hat geleckt, und der ganze Fußboden war nass. Und die kleine Sharon bekommt Zähne und hat Fieber. Sie hat die ganze Nacht geschrien, und ihre kleine rechte Backe ist rot wie eine Kirsche. Warum können Kinder nicht mit Zähnen zur Welt kommen?
    20. Januar
    Der erste Monat eines neuen Jahres ist fast zu Ende. Ich habe das Gefühl, nichts getan zu haben, obwohl ich nicht weiß, was ich hätte tun sollen, es ist nur das Gefühl, dass die Zeit vergeht und man nichts erreicht. Ich werde in diesem Jahr achtundzwanzig, das ist beinahe dreißig, dann kommt bald vierzig, und dann fünfzig und sechzig, und in Nullkommanichts bin ich eine alte Frau und beziehe Rente. Es macht mir Angst, daran zu denken. Es geht so rasend schnell. Meine eigene Mutter ist alt und krank, es heißt, sie wird bald an ihrem Herzen sterben. Ich werde alt werden wie sie und hohen Blutdruck haben und Krampfadern und Wasser in den Beinen und werde das Salz aus jedem Pfund Butter quetschen müssen und aufpassen, dass ich kein Salz ans Gemüse und an Salat und überhaupt an kein Essen mache, weil es verboten ist. Oder vielleicht werde ich zuckerkrank wie meine Großmutter und darf keinen Zucker essen und muss mir die Beine amputieren lassen und die künstlichen Beine im Dunkeln hinter der Tür aufbewahren.
    Genug von diesem morbiden Geschreibe. Aber es kommt mir so vor, als ob ich jeden Tag dasselbe mache – aufstehen, anziehen, Frühstück machen, die Kinder, Peter und Mark, anziehen oder schimpfen, bis sie sich selbst anziehen, sie zum Spielen hinausschicken, dem Baby die Flasche geben und es schlafen legen, eine friedliche Tasse Tee – das

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