Frame, Janet
heißt, mit Tim in Frieden eine Tasse Tee trinken, bevor er zur Arbeit geht, abwaschen, die Teppiche saugen, die Waschmaschine anstellen, waschen, spülen, trocken schleudern, aufhängen, mich zum zweiten Frühstück hinsetzen und dabei die Zeitung und die Skandalgeschichten lesen.
Und so weiter und so weiter. Am Nachmittag habe ich Zeit zum Lesen. Ich lese gerade Die Herrin von Wildfell Hall von Anne Brontë. Es ist die Geschichte einer Frau und ihres Mannes, der ein Trinker ist, ihre Leiden und Qualen in einer Welt voller Schmutz – so steht es auf dem Schutzumschlag. Ich finde das Buch sehr fesselnd, ich mag es überhaupt nicht weglegen. Was wird Huntingdon jetzt wieder machen, frage ich mich und zittere, wie seine Frau Helen, vor Angst und Spannung. Was für ein Untier von Mann, so die Liebe einer Frau zu missbrauchen. Die Szene, in der Huntingdon ein Rendezvous mit seiner augenblicklichen Geliebten im Park hat und seine Frau gegen Abend einen einsamen Spaziergang in derselben Gegend macht und von Huntingdon aus Versehen für die Frau gehalten wird, mit der er eigentlich verabredet ist, und wie er sie infolgedessen leidenschaftlich begrüßt und umarmt, bis er seinen Irrtum entdeckt und voll Abscheu und Angst ausruft:
«Meine Frau! Helen!» –
die Szene finde ich abscheulich und ekelhaft. Ich habe sie dreimal ganz genau gelesen.
Manchmal bekomme ich nachmittags Besuch von den Baldwins, Benny und Ted, oder den Smarts, Terry und Josie. Benny und Josie kommen oft vorbei, und dann sitzen wir bei Tee und Keksen zusammen und unterhalten uns über Kinder und Männer und Hausarbeit. Ich schäme mich so, dass ich nie Dosen voll Selbstgebackenem habe, wenn Besuch kommt – ich muss immer das Zellophanpapier von Keksschachteln reißen, Schokoladenplätzchen und Waffeln und Mürbeteigtörtchen; und obwohl Josie und Benny zu höflich sind, um Bemerkungen zu machen, spüre ich doch ihre Kritik, denn bei ihnen gibt es immer Baisers oder Erdnussbrownies oder diese rosa Marshmallow-Kuchen, wenn ich zu Besuch komme. Bennys Vater ist Richter am Obersten Gerichtshof, und ihr Mann ist ein hoher Verwaltungsbeamter. Die Smarts haben ein neues Haus an einer der Buchten drüben – eine aufstrebende Gegend, sagen sie. Sie kennen die Bessicks, Dr. Herbert Bessick und seine Frau Alison, und sie haben versprochen, uns mit ihnen bekannt zu machen. Dr. Bessick ist ein ausgezeichneter Gynäkologe und eben erst von einer Fortbildungsreise nach Übersee zurückgekommen – seine Frau hat einen Artikel über ihr Leben in Europa und in den Staaten für die Gesellschaftsnachrichten geschrieben. Sie soll eine ziemliche Xanthippe sein, heißt es, ist aber immer perfekt gekleidet und soll eine unterhaltsame Gastgeberin sein. Übrigens sind beide, die Baldwins und die Smarts, im hiesigen Theaterklub. Dienstags lesen wir Stücke mit verteilten Rollen.
Was soll ich noch über meinen Tagesablauf schreiben? Abends nach dem Abendbrot bekommen die Kinder immer ihr Bad und ihre Geschichte, denn Tim und ich glauben beide daran, dass man Kinder erst nach dem Vorlesen ins Bett bringen soll. Tim hat ein Buch über Kinderpsychologie gekauft, und wir haben es gründlich gelesen. Einige Theorien scheinen auf Mark nicht zu passen, er ist so eigenwillig und launisch. Tim liest die Geschichte vor, während ich das Fläschchen für das Baby mache. Kinderbücher sind jetzt ganz anders als in meiner Kindheit. Jemima Pratschel-Watschel von Beatrix Potter hat mir gefallen, ich hatte noch nie gelesen, wie der Herr Fuchs seine Zeitung in der Fracktasche versteckt und Jemima Pratschel-Watschel einen Stall voll Federn zum Eierlegen anbietet. Was für ein durchtriebener Schwindler dieser Herr Fuchs doch ist und wie leichtgläubig das arme Jemima Pratschel-Watschel. Es ist fast wie im wirklichen Leben mit seinen Intrigen und Beinahe-Morden.
Übrigens hat mir Tim eine elektrische Küchenmaschine gekauft, damit ich zum Wochenende, wenn die Bessicks kommen, eine Schokoladen- oder Nusstorte machen kann. Es ist ein komisches Gefühl, mit einem Arzt gesellschaftlich zusammenzutreffen, besonders mit einem Frauenarzt, wenn ich auch zu aufgeklärt bin, um bei dem Gedanken, was er alles über das Innere von Frauen wissen muss, rot zu werden. Vor zehn Jahren wäre ich davongelaufen. Wenn man sich das vorstellt!
Es ist spät geworden, und ich bin müde. Tim ist eben mit den Milchflaschen zum Gartentor gegangen. Ach, es ist so heiß und schwül, manchmal weiß ich nicht, wie ich es
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