Frame, Janet
Gesellschaft nicht sehen. Das Lachen und Reden und die Menschen waren hinter Jalousie und Vorhang verborgen, und das Einzige, was für sie abfiel, waren die weiche, leuchtend rote Decke und die weißen Hände, die darauf die Karten tanzen ließen.
Auch in jener Nacht weinte sie sich vor Enttäuschung und Einsamkeit in den Schlaf.
Und jetzt liegt Amy am Weihnachtsnachmittag auf ihrem Bett und kann nicht anders und sieht immer und immer wieder das rote Tischtuch, ihren einzigen Anteil an der Gesellschaft; und das Tischtuch wird größer und fällt auf ihr Bett und deckt sie zu wie eine Bettdecke, und sie schläft.
Und das hohle Haus wird sich niemals füllen.
27
Chicks
Und nun hat Daphne im Totenzimmer die kleine steinerne Tasse mit Sonne, die durch das Fenster hoch oben hereinströmte, ergriffen; und hat die goldene Masse zu Weizen zerkleinert und füttert die weißen Hühner, die auf dem Gras hierhin und dorthin eilen, und füttert auch die ganz kleinen Küken, obwohl die das Gras noch nicht kennen, sondern unter dem Kasten mit der federwarmen Hühnermutter wispern. Und Daphne ruft Tuck, tuck, tuck und streut den Weizen aus, und die Hühner sagen Gack, gack, gack, und schlagen den Staub mit den Federn und picken auch Wasser auf, indem sie die Schnäbel in die rostige Pfanne mit klarem Bachwasser tauchen und Oberteil und Unterteil des Schnabels zusammenschlagen wie Leute, die ihre falschen Zähne ausprobieren und aus Höflichkeit den Mund dabei nicht aufmachen; dann recken sie den Schnabel zum Himmel, damit das Bachwasser als klares Band hinunterrinnt.
– Was für ein raffinierter Geschmack, singt Daphne, die heute lacht. Aber sie weint auch, weil das kleinste Küken wie eine Mimosenblüte unter der großen dunklen Kiste sitzt und nichts sehen kann, während die Bruthenne mit dem blassen Kamm auf Zehenspitzen in der Sonne umhertrippelt und in ihrem Leben voller Müdigkeit zum ersten Mal Schlaf findet, an einem braunfarbenen Ort, die weiße Kittelschürze bis zum Hals gezogen und den warmen Pfannkuchen oder Muffin aus Dung unten im Mund.
28
Toby fand das Tagebuch unter einem Kissen in dem Wohnzimmer oben im Norden. Er wollte bei Chicks (jetzt Teresa) und Timothy übernachten und passte auf die Kinder auf, während die Eltern einen Freund besuchten.
«Ein Geschäftsfreund, Toby, und Geschäftsfreunde darf man nicht vernachlässigen. Es macht dir doch nichts aus, auf die Kinder aufzupassen, Toby? Sie wachen nie auf. Du brauchst dich gar nicht um sie zu kümmern.»
Also setzte sich Toby auf das Sofa im Wohnzimmer des protzigen Hauses. Und dort fand er das Tagebuch und las es, zuerst mit schlechtem Gewissen und später ohne jedes Gefühl außer tödlicher Scham. Er las –
15. Januar
Zum ersten Mal seit vielen Jahren, acht, um genau zu sein, da ich seit acht Jahren verheiratet bin, habe ich mich entschlossen, ein Tagebuch zu führen. Ich habe die Absicht, alle meine Gefühle und alle wichtigen Ereignisse hineinzuschreiben. Ja, ich will sehr offen sein, wie der Franzose Rousseau, und alles aufschreiben. Oder fast alles. Vielleicht, wenn ich Zeit habe, werde ich einen kurzen Bericht über mein Leben während der acht Jahre meiner Ehe verfassen. Vielleicht werde ich auch über meine Kindheit berichten und über die Mitglieder meiner Familie, meinen Bruder Toby, der in Waimaru Altwarenhändler ist, meine Schwester Daphne, die in einer psychiatrischen Anstalt ist, meine andere Schwester Francie, die verbrannt ist, als ich noch ganz klein war. Und meine Mutter und meinen Vater. Natürlich werde ich von Timothy und den Kindern sprechen. Ich bin entschlossen, dieses Tagebuch regelmäßig zu führen, und wenn ich einmal ein paar Tage auslasse, dann heißt das nicht, dass ich vergessen habe, Ereignisse und Gefühle aufzuzeichnen, sondern nur, dass ich keine Zeit dazu gefunden habe; schließlich bin ich Hausfrau.
Wo soll ich anfangen? Ich weiß es nicht. Ich werde das Buch beiseitelegen, bis die Kinder im Bett sind.
Am Abend
Timothy (ich werde ihn nicht Tim, sondern Timothy nennen, weil es literarischer und intellektueller klingt) amüsiert sich darüber, dass ich angefangen habe, ein Tagebuch zu führen, und droht, es zu lesen, aber der gute Timothy, er ist so ehrlich, dass ich es im ganzen Hause herumliegen lassen könnte, ohne dass er es je aufschlagen würde. Nein, ich glaube, ich nenne meinen Mann doch lieber Tim – das andere klingt allzu fremd. Er hat mir ein Dampfbügeleisen geschenkt. Er hat es mir heute
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