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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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hat keine richtigen Turnschuhe, und ihre Turnhose ist nicht aus der richtigen schwarzen Baumwolle, die außen glänzt.
    Sie hat keine Schuljacke mit Monogramm.
    Aber Francie Withers spielt die Jungfrau von Orleans, und auf dem Gartenfest hat sie gesungen:
Wo die Bien’, saug ich mich ein,
Bette mich in Maiglöcklein,
Lausche da, wenn Eulen schrein,
Wenn Eulen schrein, wenn Eulen schrein.
    Aber jetzt gibt es kein Lausche da, wenn Eulen schrein, mehr. In den Macrocarpa- und Kohlpalmen gibt es Eulen, und sie schreien Schu-huu, Schu-huu, und wegen der Bäume denkt man nachts manchmal, dass es ewig regnen und nie mehr Sonne geben wird, sondern bloß noch Schu-huu und Dunkelheit.
    Aber für Francie, die aus der Schule entlassen ist, dauert der Tag ewig; erst frühstücken alle zusammen, dann geht ihr Vater zur Arbeit, nach Tabak, nach Rasierseife und nach dem Puder riechend, mit dem er sich immer die Füße einstäubt, um keinen Fußpilz zu bekommen.
    «Welche Schicht, Bob?»
    «Spätschicht, Amy. Bin um zehn wieder da.»
    Aber sehr oft nannte er sie nicht Amy, sondern Mutter, oder Mum, als ob sie wirklich seine Mutter wäre.
    Und sie nannte ihn Vater oder Dad, als ob sie durch die Heirat mit ihm einen neuen Vater gefunden hätte.
    Zu Francies Großpapa dazu.
    Und zu Gott.
    «Ja, Spätschicht, Amy. Bin um zehn wieder da.»
    «O Dad, du wirst nicht genug Schlaf kriegen.»
    «Wenn ich morgen frei habe, repariere ich das Abflussrohr.»
    «Das muss auch sein.»
    «Natürlich muss es sein. Hab ich dir nicht immer und immer wieder gepredigt, du sollst kein Fett und keinen Abfall in den Ausguss schütten?»
    «Ich gieße das Abwaschwasser immer draußen aus, auf die Rosen, damit sie keinen Mehltau ansetzen.»
    «Gestern Abend aber nicht.»
    «Da hab ich’s vergessen, Dad.»
    «Du lieber Gott, so spät schon? Pass auf, dass die Kinder von der Müllgrube wegbleiben, die ganze Stadt redet schon darüber, dass sie da immer hinlaufen und im Dreck spielen, ich habe den Eindruck, sie können nicht unterscheiden, was Müll ist und was kein Müll ist.
    «Ja, Dad.»
    Dann gibt er seiner Frau einen flüchtig angedeuteten Kuss und verschwindet, führt sein Fahrrad um die Ecke, und Amy steht da und schaut ihm nach. Sie wischt sich die Hände an der nassen Schürze ab; sie ist immer nass, hat einen großen nassen Fleck dort, wo sie sich beim Abwaschen über den Ausguss beugt.
    Einen Moment lang denkt sie, romantisch wie sie ist, über sich und Bob nach, damals in der Zeit, als er um sie warb und ihr vorsang, wie hieß das Lied noch –
Komm, flieg mit mir zu den Sternen,
einmal zum Mars und zurück,
komm, flieg mit mir um die Venus,
in meinem Luftschiff ins Glück.
Niemand belauscht unser Kosen,
niemand belauscht unsern Kuss.
Komm, flieg mit mir zu den Sternen,
bis der Mann im Mond schmunzeln muss.
    Und als sie im Waikawa Valley spazieren gingen, dem Mond so nah wie nur möglich, da trafen sie den alten Maori, der vor den Gespenstern davonlief, und er rief ihnen zu: Gute Nacht, Miss Himmlin, aber es klang wie Miss Himmel, und sie lachte.
    Vielleicht denkt Amy einen Moment daran zurück. Oder ist das nur in Büchern so, in denen der Mond besungen und vom Himmel geholt wird?
    Und dann sind die Kinder fort zur Schule, und das Kleinste spielt im Garten hinter dem Haus. Das ist Chicks, das Küken, die diesen Namen bekommen hat, weil sie so klein und dunkel ist; auch Francie ist da, die nicht mehr klein ist, sondern zwölf, gleich nach Weihnachten dreizehn, und die jetzt von der Schule abgegangen ist, um ihren Weg in der Welt zu machen und voranzukommen.
    Und sich in den Tag zu fügen, der ewig dauert.
    Und für Francie wird es jetzt still. Sie denkt, jetzt marschieren die Mädchen in der Schule in die Aula zur Andacht. Ein neues Halbjahr hat begonnen. Die Schulleiterin steht auf dem Podium und hebt die Hand, nicht, um Schweigen zu gebieten, denn es ist schon ganz still geworden, sondern weil sie es liebt, die Hand auf diese Weise zu heben. Sie ist groß, mit einem Kopf wie ein Bulle und ohne nennenswerten Hals, und man kann nie sehen, was sie unter ihrem Talar trägt, weil er sie ganz einhüllt, wie ein Geheimnis. Sie steht hoheitsvoll vor der Schule und sagt: Guten Morgen, Kinder.
    Und dann wird die Nationalhymne gesungen, und die Schulleiterin begrüßt alle zum neuen Halbjahr und singt mit oder bewegt zumindest den Mund, als ob sie singen würde:
Ach bleib mit Deiner Gnade
bei uns, Herr Jesu Christ,
dass uns hinfort nicht schade
des bösen

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