Francisco Pizarro - Der Eroberer Von Peru
Lippen.
Zwei, drei Tage darauf machte der rechtmäßige Thronerbe Prinz Manko dem Statthalter seinen Besuch, begleitet von einem großen prunkvollen Gefolge. Pizarro empfing ihn hocherfreut und geradezu herzlich. Es lag ihm unsagbar daran, mit dem jungen Inkafürsten in gutem Einvernehmen zu stehen, d. h. auch ihn zu seinem Werkzeuge zu machen. Den klugen Prinzen seinerseits hatte die Erkenntnis geleitet, daß eine Erhebung wider die fremden Eindringlinge zunächst aussichtslos war. Die dünne Oberschicht der bisher herrschenden Inkas hatte ihren ehedem so starken Einfluß auf die Urbevölkerung verloren. Das alte Heer war auseinandergelaufen; ein neues aufzustellen, hielten ehrliche Berater für unmöglich, und mit regellosen Streiftruppen konnte man die Spanier nicht vernichten.
Am Freitag den 14. November kam Pizarro in die Nähe der Stadt. Er sah ihre Türme und Zinnen im Rot der Abendsonne, verschob aber den Einzug in die Hauptstadt seines Reiches auf den kommenden Morgen.
Gefechtsbereit marschierten die Spanier ein. Vor dem Haupttrupp ritt Francisco Pizarro, das Kaiserliche Banner hinter sich. Prinz Manko folgte ihm in seiner Sänfte. Viel Volk war, vor wie in der Stadt, zusammengeströmt, um die Weißen Männer und ihren Führer zu sehen, von denen sie schon so manches Schreckliche gehört hatten. Wenige wohl ahnten, daß mit der Ankunft der Eroberer in der Hauptstadt die Freiheit, der allgemeine Wohlstand und die hohe Kultur des alten Landes auf Jahrhunderte hinaus dem Niedergange verfallen war.
Auf der Plaza machte der Heereszug Halt. Pizarro nahm Quartier in einem großen burgartigen Palaste, den Inka Huayna Kapak erbaut hatte. Nach dem Großen Platze zu hatte er eine geräumige Halle.
Die Stadt war die größte der Neuen Welt. Die Altstadt soll damals aus drei- bis viertausend Häusern bestanden haben, die Vorstädte aus etwa 20000 Wohnstätten. Darin wohnten insgesamt etwa 160000 Einwohner. In zahlreichen Palästen hauste der Adel. Über der Stadt thronte die Königsburg. Außer dem (bereits beschriebenen) Haupttempel gab es eine Menge kleinerer Kirchen und Kapellen. Auch die Steinhäuser waren mit kunstvollen Strohdächern gedeckt. Die Straßen waren schmal und lang; sie kreuzten sich in rechten Winkern. Von der Plaza gingen vier Hauptstraßen aus, die an den Toren in die vier Hauptheeresstraßen des Landes übergingen. Der Platz war mit schönen Kieselsteinen gepflastert. Mitten durch die Stadt floß ein breiter Kanal mit herrlich klarem Wasser, der auf eine Länge von zwanzig Leguas von Steinmauern umbettet war. In bestimmten Abständen führten steinerne Brücken über ihn. Das Leben und Treiben der Indianer in ihrer bunten Tracht war sehr lebhaft. In einem fort kamen und gingen Scharen aus den Dörfern der Umgegend und der Ferne. Eine gut- organisierte Polizei regelte den starken Verkehr. Es gab Zoll- und Steuerstellen, Gerichtshöfe, große Magazine, Kasernen usw.
Pizarro, der sich gelegentlich gerühmt hat, »auch nicht eine Kornähre« wäre »ohne seine Erlaubnis« abgepflückt worden, verbot in einem Heeresbefehl seinen Spaniern das gewaltsame Betreten der Indianerhäuser. Der Befehl mag wohl im allgemeinen eingehalten worden sein, aber die Paläste, Staatsgebäude und Tempel sind planmäßig geplündert worden. Vor dieser Räuberei waren nicht einmal die schmuckbehangenen Königsmumien in der Korikancha sicher. Übel war auch die ins Sinnlose gehende rohe Vernichtung aller Kunstgegenstände, die irgendwie an den Sonnenkult gemahnten, durch die glaubenswütigen und zumeist ungebildeten spanischen Pfaffen und Mönche. Um angeblich versteckte Tempelschätze, Staatskassen, Privatreichtümer zu ergattern, sparte man die Anwendung der Folter nicht.
Es kam Beute zusammen, an Gold 580000 Pesos, an Silber 215000 Mark. Jeder Reiter erhielt 6000 Pesos Gold, jeder Mann zu Fuß 3000. Einschließlich der 40 Spanier in Xauxa belief sich die Stärke des Heeres damals auf 480 Mann. Es wird berichtet, daß Würfel und Karten unter den Spaniern maßlos im Schwange waren. Ein Reiter namens Mancio Serra de Leguizamo hatte als Beuteanteil eine goldne Sonne erhalten, die nicht in Barren umgeschmolzen worden war, weil es um die feine Arbeit schade gewesen wäre. Diese Sonne verjeute ihr Besitzer gleich in der ersten Nacht, und ein Spottvogel meinte, er habe die Sonne verspielt, ehe sie aufgegangen. Dies ist noch heute in Spanien ein geflügeltes Wort: juega el sol antes que amanezca!
XXII
Zu Beginn des Jahres
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