Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
aufteilten.
Dadua würde bald eintreffen. Er würde auf einem Esel in die Stadt kommen.
Offenbar ritt ein Bergprinz, ein Nasi, auf einem Esel in seine Stadt ein.
Ein König, haMelekh, kommandierte seine Armee von einem
Streitwagen aus. Folglich war Dadua zwar haMelekh über alle Stämme, da er sie in den Krieg führte und von einem Streitwagen aus befehligte, hier jedoch war er Nasi.
Es gab keine hierarchische Abstufung zwischen König und Prinz, man brauchte auch nicht erst Prinz zu sein, um König zu werden. Beides fiel in vollkommen verschiedene Kategorien. Ein Prinz war man nur in einem Gebirgskönigreich. Ein König nur als Kriegsherr.
Infolgedessen waren die Herrscher über die Pelesti Könige, weil sie in Streitwagen fuhren. Dadua war haNasi von Jebus, weil er auf einem Esel in die Stadt kam. Mein Gehirn pochte im Gegenrhythmus zu meinen Wunden, so viel Anstrengung kostete es mich, das Konzept zu begreifen, das mein gesamtes bisheriges Verständnis von der Beziehung zwischen einem König und einem Prinzen auf den Kopf stellte.
Im klaren Licht des Vormittags erwarteten die überlebenden Männer und Frauen von Jebus aufrecht den neuen Nasi. Yoav stand in Habtachtstellung, blutfleckig, aber stolz, umgeben von seinen Soldaten, welche die mir inzwischen bekannten goldenen und silbernen Schilde trugen. Wir alle schauten zu, wie Dadua auf seinem Esel den Hügel heraufgeritten kam. Obwohl seine Füße beinahe im Staub schleiften, strahlte eine majestätische Aura von ihm aus, die uns allen ein Gefühl von Bedeutungslosigkeit gab. Gold glänzte an seinem Helm, seinem Hals, seinen Beinschienen.
Dies war David.
Der Esel, weiß und rein, schlängelte sich durch die Einfriedung hinter dem Tor und blieb im Schatten stehen. Yoav kam auf Dadua zu, aufmerksam beobachtet von der ganzen Stadt und all seinen Soldaten. »HaMelekh Dadua ben Yesse, ich überreiche dir diese Stadt, den Traum deines Herzens, die Sehnsucht deines Nefesh, auf dass sie dein sei für alle Zeiten und Sitz der Dynastie Daduas werde, die mit el haShadays Hilfe bis in alle Ewigkeit fortbestehen wird.«
Der Esel war ein bisschen nervös, er tänzelte hin und her und stampfte auf den Boden. »Nun, da ich diese Stadt betrete, dieses Geschenk deiner Treue, verkünde ich, dass du, Yoav ben Zerui’a, Rosh Tsor haHagana sein sollst, bis deinem Körper der letzte Atemzug entwichen ist«, erwiderte Dadua.
»Dein Wille geschehe«, bedankte sich Yoav mit einer Verbeugung.
Um uns herum begannen die Männer zu jubeln, und Dadua sah zu uns her. Ich fragte mich, ob er sich wohl darüber Gedanken gemacht hatte, wie viel diese Stadt gekostet hatte. Ob er wohl wusste, wie sehr Yoav ihn liebte, welchen Preis er entrichtet hatte, damit Dadua bekam, was er wollte, ohne sich beflecken zu müssen, indem er es selbst eroberte.
Unter lautem Jubel ritt Dadua in die Stadt ein, während wir alle auf die Knie sanken und den Kopf senkten. Heute sah er wahrhaft königlich aus. Er stieg ab und ging vor uns her, ausgesprochen eindrucksvoll mit seinem irisblauen Gürtel und Umhang, dem juwelenbesetzten Dolch an der Seite und der in der Sonne gleißenden Rüstung.
»Jebusi!«, rief er aus. »Ich will euch kein Leid zufügen! Euer Herrscher Abdiheba ist tot, Jebus gehört euch nicht länger. Bis in alle Zeiten soll diese Stadt mir gehören und bevölkert werden von meinen Chorim und Giborim.«
Freunden und Verbündeten, übersetzte das Lexikon. Darauf wäre ich auch von selbst gekommen.
»Von heute an ist Jebus eine neue Stadt«, fuhr er fort. »Diese Stadt ist von Alters her meinem Volk versprochen. Sie gehört weder den Stämmen des Nordens: Zebuion, Asher, Y’sakhar, Gad, Binyamin, Efra’im, Manasha, Naftali; noch den Stämmen des Südens: Yuda, Reuven, Tsimeon, Dan. Es ist eine neue Stadt, die Stadt Daduas, Qiryat Dadua.«
Auch wenn ich genau das erwartet hatte, blieb mir der Atem weg. David, Israel, Jerusalem. Ach Cheftu, was würdest du darum geben, jetzt hier zu sein.
Die Menge lauschte schweigend und stoisch. Die Frauen, deren Väter, Brüder und Männer entweder schliefen oder durch die Machenschaften ihrer weiblichen Verwandten zu Tode gekommen waren, standen wie angewurzelt da. Sie hielten einander fest bei den Händen und lauschten mit schmalen Augen und voller Zweifel diesem Mann, der die Pelesti unterworfen hatte. »Ich biete euch an, hier zu bleiben und mit uns zusammen diesen Ort zu einer Stadt des Versprechens zu machen. Doch ich erwarte, dass ihr zwei
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