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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mal Gelegenheit, in sein Gesicht zu sehen. Ich schauderte. Irgendwie war er mir vertraut. Nicht auf Grund seines Alters oder der Gesichtsfarbe, sondern möglicherweise wegen der Kühnheit seines Blickes. »Ein kluger Einwand, mein beleibter Freund«, sagte der Bote. »Doch vielleicht sieht das Auge nicht alles.« Er lächelte und entblößte dabei große weiße Zähne. Das Gefühl, ihn zu kennen, wurde immer stärker.
    Er richtete sich auf und schaute dabei in meine Richtung. Seine dunklen Augen waren tief wie das Meer und unter dichten Wimpern versteckt. Und fast faltenlos. Dieser Mann war längst nicht so alt, wie es schien; entweder das oder er hatte schon lange vor meiner Zeit Estee Lauder benutzt.
    Er wandte sich wieder an Dadua. »Hast du schon entschieden, wo du wohnen willst, Adoni?«
    Dadua sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ich habe große Bedenken, ein Geschenk von einem Herrscher anzunehmen, den ich genauso wenig kenne wie seine Götter«, erklärte er. Er ließ sich nicht ins Bockshorn jagen.
    »Würdest du gern oberhalb der Stadt wohnen?«
    N’tan mischte sich ein. »Wir werden uns mit unserem Gott beraten und ihn fragen, wo der Palast erbaut werden soll.«
    »Euer Gott ist Architekt?«
    Der Bote klang beinahe sarkastisch.
    »Shaday hat Himmel und Erde erbaut«, entgegnete N’tan kühl. »Wie sollen wir dich ansprechen?«, fragte er dann den Mann.
    »So wie meinen Lehnsherrn, mit Hiram«, erwiderte er und richtete sich auf.
    Cheftus Augen wurden eine Sekunde lang groß, dann sah er weg und kramte in irgendwelchen Papieren. Dieser Name hatte etwas zu bedeuten, aber was? Bisher waren wir noch keinem Hiram begegnet. War es ein historischer Name?
    »Dein König verehrt Ba’al?«, erkundigte sich N’tan.
    Der Bote wirkte leicht verstimmt. »Mein König verehrt keinen Gott, Adon. Er glaubt, dass die Erde in sich selbst fruchtbar ist. Er glaubt, dass Himmel und Meer ihre Plätze beibehalten werden. Er ist voller Zuversicht, dass es irgendwo eine unbekannte Gottheit gibt, die sich eines Tages offenbaren wird, doch bis zu jenem Tage will er keine falschen Götter anbeten.«
    Schuss und Tor! Durch diese Antwort hatte er seinen König geschickt aus der Schublade »Götzendiener« geholt und es Dadua auf diese Weise ermöglicht, mit ihm Beziehungen aufzunehmen. Shaday verbot es nämlich, mit Ungläubigen ein Abkommen zu schließen. »Erzähl mir von dem Palast deines Herrn«, sagte Dadua.
    »Darf ich mich setzen, Adoni ? Nur weil diese alten Knochen
    müde werden, das ist alles.«
    Dadua ließ ihn nicht nur Platz nehmen, er bot ihm auch Wein und Brot an.
    Interessant. Kein Salz. Da ich im Nahen Osten aufgewachsen war, wusste ich, dass man, wenn man Salz und Brot angeboten bekam, so lange unter dem Schutz des Hausherrn stand, wie das Essen im Verdauungstrakt des Besuchers blieb - wobei die Dauer allgemein auf drei Tage geschätzt wurde. Mein Vater hatte es sich zur Regel gemacht, seinen Darm immer erst zu leeren, nachdem er das Haus eines Gastgebers verlassen hatte.
    Meine Mutter hatte ihm deswegen Vorhaltungen gemacht, denn dieses Verhalten war nicht gerade gesund.
    Er hatte erwidert, sein Job verlange es so. Sie hatte düstere Andeutungen über Ärzte gemacht. Er hatte sie geküsst. Ende der Diskussion.
    Der Bote leerte eben sein zweites Glas Wein und schien dabei jeden Tropfen zu genießen, ohne sich weiter um seine Zuhörer zu kümmern. Was für ein Schmierenkomödiant, dachte ich. Er wischte sich die Mundwinkel mit Brot aus, das er danach verspeiste. Die Giborim standen in der fast völligen Dunkelheit und verfolgten seine Vorstellung.
    »Das Heim meines Herrn ist exquisit. Ashlar ...« Hiram brüstete sich mit den Wundern des Palastes. Er ließ sich beredt über gewachsten Stein, poliertes Zedernholz, handgeschnitzte Fensterbretter aus Elfenbein sowie über beschnitzte und mit »königlichen Darstellungen« beschlagene Möbel aus.
    Dadua saß zurückgelehnt und scheinbar vollkommen ungerührt da. Ich sah zu Cheftu hinüber, der gedankenverloren seinen Schreiberkiel zwischen den Fingern zwirbelte und dabei auf den Boden starrte. Hörte er überhaupt zu?
    »Und wie siehst du den Palast unseres Adoni ?«, fragte Yoav.
    Der Bote schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln, ein Lächeln, mit dem er Engel zum Weinen bringen konnte, so phantastisch sah er dabei aus. Er mochte schon über hundert sein, aber er konnte immer noch als Modell arbeiten. Dieses Gesicht, diese Zähne. Er war einfach makellos.
    Er

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