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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Geschichtsbücher eingegangen war. Vor allem das Geschichtsbuch!
    Er war noch nicht fertig. »Das Viertel, das einst für seine Prostituierten und für die Läden voller Götzenbilder berüchtigt
    war, soll zu einer Straße der Schauspieler werden.«
    Schauspieler? Doch das Lexikon in meinem Kopf klärte mich auf: Schauspieler = Philosophen = Denker. In dieser Sprache gab es kein Wort für etwas so Stilles wie Denken, keine Vorstellung von einer Tat ohne sichtbares Ergebnis. Es gab keine Verben, die keine Bewegung bezeichneten.
    »Schon jetzt sammeln wir Schriftrollen aus allen Ländern und Kulturen, um sie hier zu lagern und sie allen verfügbar zu machen, die Wissen suchen.«
    »Eine Bibliothek?«, rief ich Cheftu über den aufbrandenden Jubel hinweg zu.
    Er nickte grinsend.
    Dadua deutete dorthin, wo der neue Markt angelegt würde; wie die Straße der Händler verbreitert würde; wo von hier aus im wahrsten Sinn des Wortes die neuen Viertel der Stadt mit vielen neuen Wohnungen in die Höhe wachsen würden.
    Tziyon würde zu einem echten Kunstzentrum werden, dachte ich. Es war ein Aufruf an alle Künstler, in diese Stadt zu kommen, die bereits jetzt aus allen Nähten platzte. »Weiter oben«, sagte Dadua, »habe ich die Tenne der Jebusi erworben, und dort werde ich die Stiftshütte und das Totem errichten. Gleich morgen.«
    Der Jubel war ohrenbetäubend.
    Morgen würde der Hof und das gesamte Land mit dem Karren nach Qiryat Yerim reisen, gemeinsam mit fast allen anderen Stammesmitgliedern, die so viel Zeit erübrigen konnten, und den Thron hierher eskortieren, wo er für alle Zeiten bleiben sollte. Indem Dadua den Gnadenthron hierher brachte, begründete er seine Theokratie. Regierung wie Religion würden von denselben Organen und nach denselben Gesetzen regiert.
    Gleich nach dem Abendessen würden Cheftu und N’tan zusammen mit den anderen Priestern, Sehern, Propheten et cetera aufbrechen.
    Da sowohl Dion als auch RaEm noch hier waren, war ich immer noch rund um die Uhr im Dienst. Semenchkare - die uns mit ihren ständigen Forderungen nach mehr nervte, sei es Essen, Wein oder Daduas Gold - und Dion - der sich abwechselnd als Hiram der König und Hiram der Baumeister kostümierte - lagerten außerhalb der Stadt. Dion verfolgte von seinem Beobachtungsposten auf dem Berggipfel aus die Bauarbeiten an der Erweiterung der Stadt; Semenchkare, RaEm, saß in ihrem Lager ihm gegenüber und dachte sich ständig neue Möglichkeiten aus, wie sie sich Dadua verpflichten konnte. Morgen Abend würde ich die Verantwortung für ein noch größeres Fest tragen - diesmal mit (gefüllten) Wachteln, die eben nach Süden zogen und daher leicht zu finden waren.
    »Shaday, der uns mehr schenkt, als wir erbitten, der unerschöpfliche Chesed zeigt, segne euch und eure Familien. Möge er sein Angesicht auf euch scheinen lassen und euch Frieden schenken.«
    Wie auf Kommando leuchteten die ersten drei Sterne am Himmel auf.
    »Morgen« hatte eben begonnen.
    Gemeinsam mit Zorak, Waqi und dem Baby reihte ich mich in die Parade ein. Wir gehörten zu einer größeren Gruppe, der sich auch Yoavs Frauen, Abishi und seine neue jebusische Braut angeschlossen hatten. Der Weg aus Jebus herab war gesteckt voll. Die Menschen hatten bereits ihre Standorte am Straßenrand eingenommen, wo sie Kofferraumpartys ohne Kofferraum feierten. Der Wein floss in Strömen, Musik begleitete uns auf der gesamten zwölf Kilometer langen Wanderung, und alle schienen in fieberhafter Spannung zu sein - wie am Mardi Gras, wenn auch aus dem entgegengesetzten Motiv.
    Yoav und die Giborim standen als Ehrengarde vor den Stadtmauern, während sich auf den Wehrgängen immer mehr Menschen drängten. Je näher wir Qirvat Yerim kamen, desto größer wurde das Gedränge. Trinkende, singende und tanzende
    Menschen füllten die Straßen, die Hügel und Täler. Wären wir keine VIPs gewesen, hätten wir es wahrscheinlich nie auch nur in die Nähe des Totems geschafft. Trotzdem brauchten wir Stunden, ehe wir ankamen.
    Dann sah ich Cheftu auf der gegenüberliegenden Straßenseite neben N’tan stehen. Er lächelte mich an und prostete mir schweigend mit seinem Weinschlauch zu. Die Menge stand vor einem scheunenartigen Bau, wo der Gnadenthron aufbewahrt wurde, seit die Pelesti ihn vor zwei Jahrzehnten zurückgeschickt hatten.
    Wir warteten. Priester in vollem Ornat eilten um uns herum. Jeden Augenblick konnten nun die Tore auffliegen, und der Gnadenthron würde mit einem lauten Ruf

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