Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
das Eigentum dieser Stadt, die sich wiederum in Daduas Besitz befand. Die strategische Bedeutung Jerusalems würde nicht mehr allein darin liegen, dass die Stadt die Brücke zwischen den Stämmen im Norden und jenen im Süden darstellte, hier würde auch ihre heiligste Reliquie lagern. Da-dua wäre nicht nur König, er würde auch über den Glauben gebieten.
Er zeigte ein weiteres Schriftstück vor, das mit seiner leidenschaftlichen, aber unleserlichen Schrift bedeckt war. »Dies sind die Außengebäude, die Amtsstuben der Priester.« Er zeigte, wie sie durch einen unterirdischen Gang mit den tiefer liegenden Regierungsräumen verbunden werden sollten.
»Was ist das für ein Symbol?«, fragte Yoav und deutete dabei auf einen allgegenwärtigen Buchstaben.
»Mit Gold überzogen«, antwortete Dadua.
Der ganze Tempel sollte aus Gold sein.
Schweigend besah ich mir die Zeichnungen vom Tempel. Ich fragte mich, ob diese mutigen Soldaten wohl begriffen, dass dieser Bau einfach alles verändern würde. Hatten sie genug Gold mit heimgebracht, um ein solches Werk zu vollbringen?
»Was sagst du, N’tan?«
»Ganz ausgezeichnet, haNasil Diese Schönheit wird Shaday gewiss gefallen. Diese Pläne sind nicht schwer auszuführen. Doch brauchen wir sehr viel Gold dafür.«
Dadua sah seinem Propheten in die Augen, bis N’tan den Kopf senkte. »Dein Wille geschehe.«
Das Fest des Shofar oder Neujahr zog sich bis in die Zeit des Pflügens hin, unterbrochen nur vom Tag der Sühne.
Mit ernsten Gesichtern standen wir auf den Mauern, den Wehrgängen und Straßen der Stadt und beobachteten, wie ein Priester ein rotes Tuch um den Hals eines Geißbocks band.
Ein zweiter Ziegenbock wurde vor dem Totem in Qiryat Ye-rim geopfert, wo er alles mit Opferblut bespritzte. Diese Zeremonie hatten wir nicht zu sehen bekommen. Ein zweiter Bock, jener mit dem roten Tuch, das für die Verstöße des Stammes stand, wurde ins Hinon-Tal hinabgejagt, wo er sich von Müll ernähren sollte. Daher der Begriff des »Sündenbocks«. Der Überlieferung nach würde sich das rote Tuch auf wundersame Weise weiß färben, sobald Shaday dem Stamm die Verstöße verziehen hatte.
An diesem Tag gab es nichts zu essen. Wir badeten nicht und zogen uns nicht fein an, um auch äußerlich erkennen zu lassen, dass wir innerlich begriffen hatten, wie sehr wir uns um Gott bemühen mussten. Auch wenn Cheftu und ich nicht zu den Stämmen gehörten, befolgten wir das Ritual.
Am nächsten Morgen pflügten die Stammesbrüder wieder, und ich gab mir weiter alle Mühe, RaEm, Dion und dem ganzen surrealistischen Chaos aus dem Weg zu gehen. RaEm wollte mehr Gold; Dion beobachtete alles ganz genau. Er hatte Cheftu nicht weiter behelligt, vielleicht hatte er sich ja geändert?
In der Abenddämmerung versammelten wir uns auf den Klang des Shofar hin an den Stadttoren. Dadua stand hoch über uns, sodass die untergehende Sonne einen rötlichen Kranz um seine Haare legte. Der Hohe Priester Abiathar stand auf seiner einen Seite, seine Frauen warteten auf der anderen. Ich blieb neben Cheftu.
»Gutes Volk von Jebus«, begann Dadua, »meine Freunde, meine Familie, meine Giborim. Überall um uns herum hängen schwere Früchte an den Rebstöcken, überall um uns herum segnet el haShaday unsere Arbeit im Lande. Um ihn zu ehren, habe ich beschlossen, dass die Stadt Jebus fürderhin einen anderen Namen tragen soll. Niemand soll sich mehr an die Götter, die Traditionen oder die blutrünstigen Rituale der Jebusi erinnern.
Heute Nacht wird Jebus als eine eigenständige Stadt unter den Stämmen wiedergeboren. Eine Stadt, für die ich und die Giborim gekämpft und die wir erobert haben. Sie soll Tziyon heißen. Diesen Namen hat el haShaday selbst ihr verliehen.«
Was bedeutete Tziyon?
»Sie ist nicht länger ein Teil Binyamis oder Yudas, sondern eine Königsstadt.
Die Stadt soll dem Frieden und der Verehrung Shadays geweiht sein. Ich werde ihre Tore allen öffnen, die ihre Weisheit, ihr Wissen und ihr Können mit den Stämmen teilen möchten. Aus allen Ländern sollen Künstler anreisen können, um in ihren Mauern Kraft zu schöpfen. Handwerker aus allen Stämmen sind an meinem Tisch willkommen, wenn sie uns dafür ihre Fähigkeiten lehren. Gelehrte, Schreiber und Seher seien bis in alle Zeit eingeladen, hier zu lernen, zu diskutieren und einander wie auch uns etwas beizubringen.«
Mir blieb die Spucke weg. Er versprach damit praktisch eine Bronzezeitrenaissance!
Kein Wunder, dass David in
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