Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Chrysolith für Dan, der Onyx für Asher und der Jaspis für Naftali«, spulte Zorak hastig ab. Ich sah auf Waqi, doch die war ganz und gar mit ihrem Baby beschäftigt.
    »Hast du das auswendig gelernt?«, neckte ich ihn.
    »Wir müssen alles auswendig lernen.« Er sah auf die Straße. »Wir sollen eine Nation sein, die nie vergisst.«
    »Sela!«, mischte sich mein Nachbar ein.
    Die Menschen streuten Blumenkränze vor den Wagen und ließen Blüten und Gebete auf die Priester herabregnen. Eine Frau tanzte vor der Bundeslade und hieß Gott dabei mit derart verführerischen Gesängen und Bewegungen willkommen, dass um sie herum Jubelrufe in die Luft aufstiegen.
    Mit ihrem wogenden Leib, dem breiten Lächeln und ihren unmissverständlichen Gesten wirkte sie eher wie eine Heidenpriesterin als eine Verehrerin Gottes, doch was wusste ich schon? Daduas Lächeln saß wie festgeklebt auf seinem Gesicht, und der Schmuck seiner Krone und seiner Kleider stand jenem der Priester nicht nach.
    Cheftu schaute der Frau zu; sie war zwar bezaubernd, doch sie erregte ihn nicht. Ihm erschien ihre Art des Feierns eher unpassend, einen lebenden Gott willkommen zu heißen. Hinter ihr sah er Chloe lächelnd neben ihrer Freundin Waqi stehen und in der immer noch heißen Sonne Wein trinken. Die Freudenstimmung war einfach ansteckend. Selbst die Priester lachten und wirkten leutselig.
    Dadua fuhr hinter dem Gnadenthron in einem weiteren, mit Gold beschlagenen Karren, winkte den Menschen zu und nahm ihre Küsse sowie den angebotenen Wein entgegen. Von diesem Tag an war Jebus offiziell Tziyon, Hauptstadt der Stämme und seine eigene Stadt. Es war ein Freudentag.
    Ein Tag der Götzenverehrung.
    Es schien kaum einen Unterschied zwischen dieser Feier und den vielen ägyptischen Ritualen zu geben, an denen Cheftu teilgenommen hatte. Der Be’ma-Thron wurde verehrt wie eine Götzenstatue. Die Menschen waren außer Rand und Band, weil sie ihre Bundeslade in ihre Stadt überführten. Sie liefen und tanzten neben den Ochsen her.
    N’tan stand an seiner Seite und beobachtete, wie der Thron vorüb er schaukelte. Er sah Cheftu an. »Wieso schaust du so ernst? Ist dies nicht der Tag, an dem wir auf den Rat der Steine hin den Thron in die Stadt bringen sollten?«
    »Du warst noch nie in einem anderen Land, oder?«, fragte Cheftu.
    »Genauso wenig wie in einer anderen Zeit«, bestätigte N’tan und setzte den Weinschlauch an. »Wieso fragst du?«
    Cheftu schaute auf die torkelnde, tanzende, trinkende Horde und begriff, dass er sich in jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort hätte befinden können, an dem er schon gelebt hatte. Die menschliche Natur schien sich im Lauf der Jahrhunderte nicht zu ändern. »Shaday hat euch ermahnt, euch von allen anderen abzusondern, nicht wahr?«, sinnierte er. »Um das nicht zu vergessen, solltet ihr keine bunt gewebten Kleider tragen, keine gemischten Obstgärten anlegen und nicht zulassen, dass Milch und Fleisch gemischt werden?«
    »B’seder«, bestätigte N’tan ungeduldig, während sie, von den schwitzigen Schaulustigen geschoben, weitergingen. Es war ein langer Weg zurück nach Jebus oder Tziyon, doch die Freude und Ausgelassenheit ließen ihn kürzer erscheinen.
    »Ach, nun, diese Dinge sind allesamt als Beispiel gemeint. Sie sollen euch täglich daran erinnern, dass ihr euch von den Unbeschnittenen abheben sollt, nachon?«
    N’tan starrte lächelnd auf den Thron. »Er ist mit Gold überzogen. Er ist wunderschön, nachon! Wird er nicht ausgezeichnet in Daduas Tempel passen - wie der größte Edelstein in der allerkostbarsten Einfassung?«
    Cheftu blickte auf den Thron und schaute noch ernster. Hatte die Truhe vorhin nicht anders ausgesehen? Die männliche und die weibliche Goldstatue befanden sich an den gegenüberliegenden Ecken des Deckels, sodass mindestens ein Meter Abstand zwischen ihnen lagen. Er wandte den Blick ab.
    Irgendetwas war ihm an dieser Sache vertraut, er wusste nur nicht was. Wieder traf sein Blick auf Chloes. Sie hauchte ihm über die Menschenmenge hinweg einen Kuss zu. Cheftu fing ihn auf und erwiderte ihn lächelnd. Er war überkritisch, ermahnte er sich, warum genoss er nicht einfach den Tag?
    Weil ...
    Die Prozession bewegte sich nur noch langsam voran, denn hier, kurz vor der Tenne von Kidon, dem letzten Halt vor Tziy-on, kam sie kaum noch durch die dicht stehenden, grölenden Stammeskinder. Von dort aus würde es bergauf in die Stadt gehen, doch das schien den Menschen gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher