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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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das Loch in meinem Ohr, jenes Loch, an das ich kaum mehr dachte. Fast hätte ich »Nein« gesagt, doch dann begriff ich, dass ich als Zeitreisende tatsächlich eine Art Sklavin war - je nach Blickwinkel. »Zeitweise«, antwortete ich.
    »Wir sind alle Sklaven«, sagte er.
    »Wie kannst du als König so etwas sagen?«
    »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    »B'seder.«
    »Ich habe etwas Wein mitgebracht.«
    Er schenkte zwei Becher voll. Ich war wie geblendet von seiner Gesellschaft; er war wahrscheinlich krank vor Sorge um seine Frau.
    »Ein König ist ebenfalls ein Sklave«, erklärte er. »Als ich noch nicht König war - tatsächlich war ich auf der Flucht vor dem Zorn des Königs und musste mich in den Höhlen von Ab-dullum verstecken -, da erwähnte ich an einem heißen Tag, wie gerne ich Wasser, kühles, erfrischendes Wasser, aus dem Brunnen im Garten meines Vaters trinken würde.«
    »Ken?«
    »Damals lag der Garten hinter den Linien des Feindes. Dorthin zu gelangen war gefährlich, und zurückzukehren noch gefährlicher.«
    »Hattet ihr kein Wasser?«
    »Das ist es ja. Wir hatten Wasser. Ich sehnte mich zurück nach der Sicherheit meines Heimes, nach der Labsal, mit meiner Familie zusammen zu sein, nach den Jahren, bevor all das begonnen hatte. Dies war der Grund, weshalb ich mir Wasser aus genau diesem Brunnen wünschte.« Er seufzte. »Nun denn: Zwei meiner Giborim schlichen durch die feindlichen Linien, schöpften Wasser und kamen zu uns zurück.
    Es war ein kostspieliger Ausflug. Die beiden waren in Blut gebadet, denn sie mussten mehrere Menschen töten, um an das Wasser zu kommen.« Dadua fuhr sich mit der Zunge über die
    Lippen. »Ich fühlte mich so elend, ich hatte solche Angst.«
    Dass er sich elend fühlte, konnte ich verstehen, doch warum hatte er Angst? »Wieso?«
    »Ich hatte leichtfertig gesprochen. Nur deswegen waren sie ein Wagnis eingegangen, das sie fast mit dem Leben hätten bezahlen müssen. Nur wegen meiner Unverfrorenheit!«
    »Es waren erwachsene Männer, sie haben die Entscheidung selbst gefällt«, wandte ich ein.
    »Ken, doch sie haben sie meinetwegen gefällt. Damals habe ich zum ersten Mal begriffen, dass ich Macht ausübe.«
    Er leerte in einem langen Zug seinen Becher.
    »Die Macht versklavt einen Menschen ebenso sehr wie jeder Ring, den du jemals in deinem Ohr getragen hast, G’vret.«
    »Und wie verhält es sich mit der Sklaverei durch Gott?«, fragte ich. »Woher weißt du, dass du immer das Richtige tust?«
    »Das Richtige?«, wiederholte er. »Wenn du keine Götzen anbetest, wenn du deiner Familie, deinem Stamm, Shaday gegenüber treu bist . « Er verstummte. »Was bleibt außerdem noch >Richtiges< zu tun?«
    Ich klappte den Mund auf, um ihm etwas zu entgegnen, doch mir fiel keine Erwiderung ein. War es wirklich so einfach?
    »Meine Mutter stammt aus diesem Land, sie ist eine Cousine, deren Vater nicht nach Ägypten gezogen war«, sagte er. »Diese Menschen folgen nicht den Gesetzen, die uns, den Stämmen, gegeben wurden. Für sie ist alles ganz einfach. Sie braucht sich kein Kopfzerbrechen über den Thron, über die Reinlichkeit oder Hal zu machen. Weil sie nicht auserwählt sind, fordert Shaday nur drei Dinge von ihnen.«
    »Und zwar ...?«
    »Sie sollen Gerechtigkeit üben, die Gnade lieben und jeden Tag ergeben unter Shaday gehen.«
    »Das ist alles?«, fragte ich.
    »Sie sind nicht auserwählt, darum wird ihnen weniger abverlangt.«
    »Und den Stämmen wird mehr abverlangt, weil sie auserwählt sind? Wieso das denn?«
    Seufzend schenkte sich Dadua noch einen Becher Wein ein. »Auserwählt zu sein ist ein Extrem, b’seder?«
    Ich nippte an meinem Becher und bemühte mich, seine Worte zu begreifen. Offenbar spürte er meine Verwirrung, denn er wurde noch deutlicher. »Auserwählt zu sein bedeutet, dass man von den Übrigen abgesondert wird, dass man kein Teil der Menge mehr ist, sondern ein Einzelwesen.« Er ließ ein Lächeln aufblitzen. »Normalerweise wird man zu einem guten oder schlechten Zweck aus einer Gruppe ausgewählt. Nimm zum Beispiel eine Opferung.«
    »Die Schafe und Ziegen?« Ich musste an den Sündenbock denken, der jetzt draußen vor dem Tor auf der Müllhalde leben musste.
    »Ken. Sie werden ausgesucht, als Beste ausgewählt, um ihr Blut für uns zu vergießen. Diese Auslese geschieht in einer höchst frommen Absicht, aber sie bedeutet für die Schafe nichts Gutes, nachon?«
    Ich lachte. »Nachon.«
    »Oder eine Gruppe von Arbeitern. Derjenige,

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