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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schafe zu Shaday«, entgegnete sie.
    »Die Schafe brauchen auch nur zu sterben, wenn sie hier ankommen«, sagte sie. »Dazu brauchen sie nicht in makelloser Verfassung zu sein.«
    »Ach ja, und meine Brote müssen wohl vor dem Allmächtigen tanzen?«
    »Lieber sie als Yuri!«
    Beide unterdrückten ein Lachen. Auch ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
    Priester mit Kegelhüten und weißgoldenen Schurzen bliesen in die Shofars. Die Männer sangen mit dröhnenden Stimmen, bis der Berggipfel selbst zu beben schien. Doch wie auf einen Schlag verstummten alle. »Ein Zeichen!«, rief jemand aus. Wir reckten unsere Hälse. Abiathar, der Hohe Priester, fiel auf die Knie.
    »Was ist denn? Was gibt es denn zu sehen?«, fragte die Frau hinter mir.
    Jeder versuchte auszumachen, was sich vorne abspielte. Der Hohe Priester hatte nicht wieder aufgesehen, doch das Flüstern wehte durch die Menge wie ein Wind, der in einem Weizenfeld die Ähren zum Rauschen bringt. Als es zu mir gedrungen war, gefror mir das Blut in den Adern:
    Der Sündenbock war wieder da, er war den Hügel heraufgeklettert und in die Umfriedung getrabt.
    Und die Schärpe um seinen Hals war immer noch rot.
    Als die Botschaft eintraf, saß RaEm gerade in ihrem Zelt und verfasste im Geist einen Liebesbrief, den sie nie an Echnaton abschicken würde.
    »Sie übernachten heute in Hütten. Möchtest du meine Gänge erkunden?«
    Hirams Gänge. Bei jemand anderem hätte diese Nachricht obszön geklungen, doch nicht bei Zakar Ba’al. RaEm erklärte dem Boten, dass sie einverstanden sei.
    »Würde Meine Majestät dann mit mir kommen?«
    »Sofort?«
    »Unter dem Deckmantel so vieler Gäste können wir dich von einem Lager ins andere bringen, ohne dass die Wachen aufmerksam werden.«
    RaEm seufzte. Sie brauchte jemanden, der sich während der Nacht um Tuti kümmern würde. Was hatte sie nur geritten, ihn mitzunehmen, diesen kleinen Buben mit der Attitüde eines Imperators? »Meine Sklavinnen werden es merken«, sagte sie.
    Der Tsori trat näher. »Zakar Ba’al hat eine Doppelgängerin für dich mitgeschickt. Falls es dir recht ist, wird sie deine Kleider tragen, während du dich eine Nacht lang als sie ausgibst.«
    »Wo ist sie?«
    Er trat zurück und winkte jemanden ins Zelt. RaEm sah sich selbst hereinkommen - groß, schlank, mit flacher Brust, kurzem, schwarzem Haar und dunklen Augen. Langsam breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie fand Hirams Denkweise äußerst ansprechend. »Lass uns allein«, sagte sie zu dem tsori-schen Boten.
    Wenig später machten sich die beiden tsorischen Lakaien auf ihren Weg den Hügel hinab, über den Bach, um die Stadt herum und den gegenüberliegenden Hügel wieder hinauf. Als sie in Hirams Lager eintrafen, dämmerte bereits der Abend.
    RaEm war schweißverklebt; es war lange her, dass sie geklettert und so weite Strecken gewandert war. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, führte sie der Agent zu den Dienstbotenzelten, durch deren Rückwände man in Hirams Zelt gelangte. Augenblicklich wurde RaEm von Hirams einbrüstigen Soldatin-nen umringt. Sie gestikulierten untereinander, dann verschwand eine in einen anderen Zeltabschnitt.
    Hiram erschien im Durchgang. RaEm hatte nicht vor, ihn zu verführen, trotzdem wünschte sie sich, sie würde nicht so ver-dreckt aussehen. »Ich habe mir die Freiheit genommen, dir ein Bad vorbereiten zu lassen«, sagte er.
    »Nach unserer Exkursion.«
    RaEms Freude wandelte sich zu Ungeduld.
    »Damit wir besser mit der Nacht verschmelzen, würde ich dir raten, dein Gesicht zu schwärzen; doch dadurch würdest du ein weiteres Bad brauchen, ehe du in dein Lager zurückkehrst.«
    Das klang sinnig, doch es war ihr zuwider, derart verschmutzt loszuziehen. »Ich werde mich nach deinem Vorschlag richten«, zwang sie sich zu sagen. »Es war ein sehr kluger Plan.«
    Hiram lächelte; sein Gesicht war schön, aber absolut kalt. »Sollen wir zuvor noch speisen? Die Menschen aus den Stämmen versammeln sich eben zum Abendessen.«
    Es war ein schnelles Mahl aus Getreide und Geflügel. Dann ließ er ihr dunkle Kleider und Schminke für ihr Gesicht bringen. Er entschuldigte sich. Nach nicht einmal einem Dekan war er zurückgekehrt - unsichtbar wie ein Schatten in der Nacht. Sein Blick, den sie nur noch anhand seiner weißen Augäpfel ausmachen konnte, musterte sie. »Das wird genügen. Gehen wir?«
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie. Während des Umkleidens war ihr der Gedanke gekommen, dass er möglicherweise vorhatte,

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