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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Hochländern beschützen«, sagte N’tan. Die Zuhörer lachten. »Nun kannst du entweder eine ganze Division ausschicken oder einen Riesen, einen Anaki. Einen Krieger, der jeden einzelnen feindlichen Soldaten niederkämpft und tötet. Oder du kannst siebenhundert Männer aussenden, die den Hochländern ebenbürtig sind. Wen schickst du los?«
    »Den Riesen. Warum sollte ich so viele aussenden, wenn ich mit einem Einzigen dasselbe erreiche?«
    »Nachon«, bestätigte N’tan. »Andere Götter sind nicht mehr als diese Soldaten. Sie können etwas bewirken, doch niemals so viel wie der Riese, unser Shaday. Darum: Besteht kein Bedarf an anderen Göttern.«
    »Warum hat Shaday ausgerechnet uns auserwählt?«, fragte jemand.
    N’tan lehnte sich zurück und zupfte an seinem Bart. »Avram lebte in einer Gesellschaft mit vielen Göttern. Nun sehet: Er sehnte sich nach mehr als bloßen Statuen und Opfergaben. Er konnte sich einen Gott denken, den man nicht in Lehm oder Gold oder Glas darstellen kann.« N’tan hob den Blick und sah den Frager an. »Avram konnte glauben. Er sah nichts, und doch konnte er glauben, dass es alles sei.«
    Ich betrachtete die Zuhörer. Ob sie das kapierten? Ein paar sahen verwirrt aus, doch die Mehrheit nickte. Hatte ich das kapiert? Dies entsprach genau Daduas Konzept, »auserwählt« zu sein.
    »Doch wir brauchten noch etwas«, sagte N’tan. »Disziplin, wir brauchten Disziplin. Diese Disziplin konnten wir nur in der Not erlernen, daher Avrams Reise. Er musste, genau wie wir jetzt, unterscheiden lernen, was heilig und was weltlich ist. Dafür haben wir die Gesetze - damit wir den Unterschied begreifen.«
    Der Tzadik beugte sich vor. »Shaday hat uns auserwählt, weil wir die Frucht von Avrams Reisen sind. Weil wir begreifen, dass dies Shadays Universum ist, aber dass Er nicht in den Bäumen oder der Erde haust. Er steht über allen anderen Göttern, so wie ein Riese über allen Soldaten steht.«
    N’tan war ein guter Lehrer. Ich spürte, wie er mich in seinen Bann zog.
    »Dies also ist das erste Gesetz: Kein Gott außer Shaday für die Menschen aus den Stämmen.« Er sah Cheftu an. »Hast du das, Ägypter Chavsha?«
    »Nachon.« Cheftu wischte seinen Kiel trocken.
    Wir lebten in der Bibel.
    »Sollen wir es noch mal versuchen?«, stand auf der Nachricht.
    RaEm lief ein Schauer über den Rücken, wenn sie daran dachte, wie sie sich in der vergangenen Nacht in den Tunnels verirrt hatten, wie sie verlorenen Seelen gleich durch die dunklen Höhlen der Nachwelt gezogen waren. Schließlich waren sie oberhalb der ganzen Stadt gelandet, wo sie von jenem Ort aus, wo die Stammesangehörigen ihrem Gott ein erbärmliches Zelt erbaut hatten, auf ihre armseligen Hütten hinabgeschaut hatten.
    RaEm konnte ihrem Gott nachfühlen, dass er nicht in diese Stadt kommen wollte. Hier roch es nach Bäumen, es gab keinen Fluss, die Luft schmeckte dünn, dem Auge boten sich keinerlei Reize. Alles war übervölkert und strebte den Wolken zu. Wollte sie noch einmal in die Tunnel steigen, um das Gold zu sehen? Ja, sie musste. Jeden Tag konnte die Nachricht aus Ägypten eintreffen. Man würde wissen wollen, wie lange die »diplomatische Reise« des Kronprinzen noch dauern würde.
    Jeden Tag konnte sie erfahren, dass ihr Geliebter gestorben war.
    Sie sah den Sklaven an. »Sag deinem Zakar Ba’al, dass ich später zu ihm kommen werde.«
    Er verbeugte sich und verschwand. RaEm starrte hinaus auf die grünen Bäume, die braunen Hügel, den grauen Himmel und bibberte in ihrem Leinenhemd und -schurz. Sie musste an Da-duas Gold kommen, doch wie? Ihr Finger fuhr am Schenkel entlang aufwärts bis zum Sitz ihrer Begierde. Mit Sex hatte es noch immer geklappt. Sie hatte sogar den Pharao Ägyptens umsponnen. Ein König auf seinem Schlammhügel sollte ihr eigentlich ein Leichtes sein.
    Nur dass ich ihn nicht will, dachte RaEm und vergrub das Gesicht im Leinenstoff. Wieso hat Echnaton mich nur verstoßen? Wieso hat er mich vor die Wahl gestellt? Und während der erste laue Regen auf das fremde Land Tziyon fiel, weinte sich RaEm in den Schlaf.
    In der nächsten Nacht hockten wir wieder alle zusammen in der Sukkah. Diesmal hatten wir etwas schneller gegessen, es hatte weniger Wein und weniger Geplauder gegeben. N’tan erhob sich und zupfte an seinem Bart. »Worin bestand unser Sündenfall in der Wüste?«, wollte er von uns wissen.
    »Wir sind von Shaday abgefallen!«
    »Wir haben vergessen, wer uns vor den Ägyptern gerettet

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