Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
erkannte er, dass drei Männer darin saßen. Zwei ruderten, der dritte hatte den Kopf über die Reling gehängt. Was für ein Seemann war das denn?
    Das Boot setzte auf dem Felsen auf. Die beiden Matrosen kümmerten sich gar nicht um RaEm, sondern halfen dem Dritten, einem spindeldürren Ägypter, an Land. Mit einer präzisen, extravaganten Geste wischte sich der Mann das Gesicht ab und wandte sich dann an Cheftu.
    »Aii, du Narr! Was im Namen des großen Gottes Aton tust du hier, so mitten im Meer? Sprich!«
    Cheftu starrte den Mann wortlos an, komplett überfahren durch die vehemente Begrüßung.
    »Sprich! Oder bist du vielleicht ein ungewaschener Ausländer, der keine zivilisierte Sprache versteht?«
    »Es verschlägt ihm bisweilen die Sprache, wenn er einem so angesehenen Reisenden gegenübersteht«, meldete sich RaEm mit einer Stimme zu Wort, die auf wundersame Weise mürrisch und respektvoll zugleich klang. Der Mann warf ihr einen abschätzigen Blick zu, und Cheftu sah RaEms Nasenflügel vor Zorn erbeben.
    »Ist das dein Sklave?« Der Mann sah Cheftu an und deutete dabei mit dem Daumen auf RaEm. »In diesem Fall musst du mehr Gold verdienen und dir einen gesünderen kaufen. Er sieht aus, als würde er bald sterben.«
    »Sklave?«, wiederholte RaEm entrüstet. »Er?«
    Der Mann schenkte ihr gar keine Beachtung, sondern wandte sich ausschließlich an Cheftu. »Bist du ein Bauer? Oder ein Handwerker?« Er schaute über die Schulter zurück. »Ihr habt ja nicht einmal ein Dach über dem Kopf! Welche Götter haben euch nur an einen so elenden Ort verbannt?«
    »Der eine Gott«, mischte sich RaEm ein.
    »Verzeih mir«, meinte Cheftu in äußerst diplomatischem Tonfall, »doch wer bist du?«
    »Wenamun - aii, nein, ich bin Wenaton. Herr Wenaton. Botschafter Wenaton.«
    Cheftu und RaEm wechselten einen Blick. Er wusste nicht, wie er hieß?
    »Fünfundzwanzig Überschwemmungen lang war ich Wena-mun, doch dann hat dieser Geck sich den Thron unter den Nagel gerissen und Amun-Re verbannt, und wir mussten alle unsere Namen ändern«, grollte er.
    »Er hat den König der Götter verbannt?« RaEms Stimme hob sich entsetzt.
    »Ruhe, Mann!«, bellte er. »Es ist ein Verbrechen, auch nur seinen Namen zu nennen.«
    »Ich bin eine Frau«, zischte RaEm ihn an. »Kannst du das nicht sehen?«
    Wenaton warf einen kurzen Blick auf ihre Brüste und ihren Rock. »Aii, das bist du wohl.« Er sah wieder Cheftu an. »Der Aton hat uns alle durcheinander gebracht - Männer, Frauen, alle sehen heutzutage gleich aus.«
    »Wer oder was ist der Aton?«, fragte Cheftu.
    Wenaton drehte sich um und deutete auf das schlaff am Mast hängende Segel. »Siehst du diese Scheibe mit den Händen?« Cheftu und RaEm nickten einträchtig. »Das ist der Aton. Die kleinen Hände sind die Sonnenstrahlen, die er ausschickt und mit denen er unsere Köpfe berührt.« Er senkte wieder die Stimme. »Pharao hat er damit sogar im Kopf berührt, wenn ihr mich versteht.«
    Wieder tauschte Cheftu einen Blick mit RaEm. »Was führt dich hierher, Herr?«, erkundigte sich Cheftu.
    »Ich bin gerade auf der Heimfahrt aus Tsor. Dieser unnütze Sohn eines Ziegenhändlers, Zakar Ba’al, hat mich zwei Jahreszeiten lang warten lassen, ehe er Pharaos Wunsch nachgekommen ist, etwas Holz auszuführen.«
    »Holz?« Cheftu kam sich allmählich vor wie ein Papagei, derart idiotisch wiederholte er jedes zweite Wort, doch es gab so viel zu verstehen, so viel zu verarbeiten. Ihm war leicht im Kopf, und er war durstig; wahrscheinlich hing das damit zusammen.
    »Genau. Pharao. Seine hohe Geckenhaftigkeit errichtet soeben den nächsten Anbau zu seinem Kochpott von Palast in Achetaton.«
    »Wieso nimmt er keine Lehmziegel?«
    »Also, dieser Aton«, Wenaton sah zur Sonne auf und machte das Zeichen gegen den bösen Blick, »der ist verflucht heiß in Achetaton. Lehmziegel sind viel zu heiß, um darauf zu gehen, deshalb brauchen wir Holz für die Böden im Palast und im Tempel.«
    »Wieso sollte der Boden des Tempels heiß werden?«
    »Weil die Sonne darauf scheint, du Idiot!«, fuhr Wenaton ihn an. »Bist du ein Bauer? Weißt du etwa nicht, dass die Hitze der Sonne den Boden erwärmt?«
    »Der Tempel hat doch ein Dach, um die Menschen vor der Hitze zu schützen«, erwiderte Cheftu langsam und mit mühsam gezügeltem Zorn.
    »Nein.«
    »Nein?« Jetzt war es an RaEm, ihn zu wiederholen, und zwar mit so weit aufgerissenen Augen, dass Cheftu rund um die Pupillen das Weiße sehen konnte.
    »Nein«,

Weitere Kostenlose Bücher