Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
auszusehen wie immer, schließlich war das bisher jedes Mal so gewesen. Wieso eigentlich? Und wieso wechselte sie den Körper? RaEm behauptete, sie habe eigentlich rotes Haar und eine helle Haut. Ein schneller Blick verriet ihm, dass sie, falls sie ein Rotschopf war, nicht hier war.
Ich werde sie erkennen, dachte er. Bestimmt. Mein Fleisch, mein Blut wird sie erkennen. Manch eine dunkeläugige Maid erwiderte seinen forschenden Blick, doch keine grünäugige.
»Nun, wir landeten in Ashqelon, wo uns irgendwann mitten in der Nacht ein Matrose das Gold raubte, das du uns für das Holz mitgegeben hattest«, fuhr Wenaton in seiner Erklärung fort.
»Du bist von einem Pelesti ausgeraubt worden?«, brüllte Echnaton. »Wo steckt Horemheb? Wir werden diese undankbare Stadt dem Erdboden gleichmachen -«
»Majestät, Majestät«, beschwichtigte ihn Wenaton. »Das Gold wurde von einem ägyptischen Matrosen gestohlen.«
Echnaton verstummte kurz. »Bist du dir sicher?«
»Ziemlich.« Wenaton rückte seinen Schurz gerade und berichtete weiter. »Natürlich habe ich mich an den Herrscher der Stadt gewandt, einen gewissen Yamir-dagon, und mein Gold zurückverlangt. Immerhin wurde es mir in einem pelestischen Hafen gestohlen.«
Dagon! Cheftu war schlagartig hellwach. Yamir-dagon? Hielt sich Chloe etwa dort auf? Hatte er richtig gehört?
»Ich dachte, du hättest gesagt, ein ägyptischer Matrose habe es gestohlen.«
»So ist es.«
Echnaton zog die Stirn in Falten. »Und hat dieser Yamir dir Gold gegeben?«
»Nein. Er meinte, falls ein Pelesti mich bestohlen hätte, würde er mir den Verlust ersetzen. So jedoch würde er mir zwar helfen, nach dem Dieb zu suchen, doch er könne mich nicht entschädigen, da ich von einem Landsmann bestohlen worden sei.«
Dagon? Pelesti? Ashqelon? Steckte sie vielleicht dort? Cheftu merkte, wie er den Kopf vorreckte, um alles mitzubekommen.
»Neun Tage lang harrte ich dort aus und wartete auf eine Nachricht des Stadtregenten, ob das Gold und der diebische Matrose gefunden worden waren. Doch ich hörte nichts. Ich betete um ein Zeichen, ob ich weiterfahren oder umkehren sollte. An jenem Morgen flog während meines Gebetes ein Falke mit drei Flügeln über mich hinweg in Richtung Norden.«
Cheftus klopfte das Herz im Hals. Bestimmt war dies der Grund dafür, dass er von Wenaton gerettet worden war! Damit er diesen Dagon, diesen Yamir fand! Wann war die Audienz vorüber, damit er endlich Fragen stellen konnte? Wieso hatte Wenaton den Namen Dagon nicht erkannt, als Cheftu danach gefragt hatte?
»Dies erschien mir wie ein Zeichen, meine Reise fortzusetzen«, sagte Wenaton. »Ich wusste, dass mir nichts widerfahren konnte, da ich das Bild, das gnadenvolle Bild, meine Majestät, des Aton bei mir hatte. Vielleicht würden die zivilisierteren Menschen in anderen Ländern mir Gehör schenken und meine Geschichte anhören. Vielleicht wären sie eher gewillt, mir Glauben zu schenken oder gar Kredit einzuräumen, wenn sie die Majestät des einen Gottes erblickten.«
»Doch du hattest kein Gold mehr.« Echnaton zappelte auf dem Thron herum. »Weil du treulose Taugenichtse angeheuert hattest, die es dir abgenommen haben.«
Wenaton rief rot an, antwortete jedoch nur auf einen Teil der
Frage. »Ich hatte kein Gold mehr, nicht ein einziges Stück. Doch während wir in Yaffo vor Anker lagen, gab mir der Gott Gelegenheit, das gestohlene Gold durch Silber zu ersetzen.«
Zwar zuckte Cheftu bei dem Gedanken an einen weiteren Diebstahl zusammen, doch die übrigen Höflinge schien das kalt zu lassen. Ausländer blieben Ausländer. Ungewaschen, unzivilisiert, ungeschlacht. Für den Diebstahl an einem Fremden würde der Gott niemanden verurteilen.
»Ich kam in Tsor an, jenem elenden kleinen Inselreich. Der König weigerte sich, mich zu empfangen. Im Gegenteil, er sandte mir jeden Tag einen Sklaven, der mir eine gute Heimreise wünschte. Fünfzehn Tage und Nächte bettelte ich um eine Audienz. Ich war gekommen, um Zedern für den Gott zu kaufen!, erklärte ich. Doch wollte er mich empfangen? Nein!« Mutlos schüttelte Wenaton den Kopf.
»Kannst du ihm einen Vorwurf daraus machen?«
Damit löste Pharao leises Gekicher unter den Zuhörern aus. Er war gehässig, dachte Cheftu. Was war aus der »Liebe-deinen-Nächsten«-Philosophie von vorhin geworden?
»Ich kann nichts daran ändern; also lade ich das Götterbild und meine Habseligkeiten wieder ein, um nach Ägypten heimzukehren. Schon da habe ich, da ich
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