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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Seele des
    Landes darunter zerbrach. Der Glaube der Menschen an ihre Götter und an ihren König wurde auf eine schwere Probe gestellt.
    Cheftu fürchtete, dass Echnaton diese Probe nicht bestehen würde. Er trug zur Zerstörung seines Volkes bei, genauso, als hätte er den Menschen die schlagenden Herzen aus dem Leib gerissen. Wie würde Hatschepsut trauern, wenn sie das wüsste.
    Sie wurden wie Vieh aus dem Raum getrieben und dann auf die Straße zum Tempel des Aufgangs des Atons geführt, ohne dass ihnen Gelegenheit zu einem eigenständigen Gedanken oder einer eigenständigen Tat gelassen wurde. Trotz der Hitze und trotz seiner Sorgen um Ägypten war ihm leichter ums Herz. Bald würde er mit Wenaton sprechen und mehr über diesen Dagon herausfinden - wo er lebte, wie man dorthin kam. Chloe, ich komme, dachte er.
    Vielleicht war mit dem »Folgen« ja gemeint, dass er Wena-tons Reiseroute folgen und nach Tsor segeln sollte?
    Sobald sie im Tempel angekommen und zu den übrigen tausenden und abertausenden geschubst worden waren, verriegelten die Soldatenpriester die Türen.
    Sie waren in der Nachmittagshitze gefangen, um hier zu beten. Bis zur Abenddämmerung streckten Ägypter wie Ausländer ihre unbedeckten Köpfe bewundernd der Sonne entgegen.
    Cheftu starrte in die Sonne und schloss die Augen, als sie zu brennen begannen. In Gedanken bei Chloe, ließ er sich von Echnatons Stimme einlullen, die von den Wundern des Friedens und der Liebe wie von der Macht der Sonne kündete.
    Plötzlich wurde er von Händen gepackt, während eine andere Hand seine Protestschreie erstickte. Cheftu wurde rückwärts durch die Menge geschleift, die sich teilte, um den Weg frei zu machen, doch ohne dass ihn jemand angesehen hätte. Er wurde in eine Grube geschubst, wo die Sonne auf ihn herunterbrannte, die Wände seines Gefängnisses zum Glühen brachte und durch die neuen Sandalen hindurch seine Füße versengte.
    »Wer bist du?«, fragte eine Stimme. Gegen das Gleißen des Aton konnte Cheftu nichts erkennen. Am Rande der Grube standen zwei nur als Umrisse erkennbare Gestalten.
    »Ch-Chavsha, Schreiber des Wenaton«, erwiderte er hastig. Es war nicht klug, diesen Männern seinen wahren Namen zu verraten. Seinen wahren Namen zu nennen konnte böse Folgen haben. Das war in Frankreich nicht anders als in Ägypten.
    »Du hast deine Augen vor dem Glanz des Aton verschlossen«, verkündete der andere. »Du hast gegen das Gesetz verstoßen.«
    Es war gegen das Gesetz, die Augen zu schließen?
    »Ich wollte nicht erblinden«, rechtfertigte sich Cheftu. »Ich habe nur ... etwas länger geblinzelt.«
    »Erst die Blindheit öffnet uns wahrhaftig die Augen«, widersprach der Erste. »Nur wenn unser Auge uns nicht mehr ablenkt, sehen wir, was wir wirklich sind, was wir wirklich haben. Blindheit ist ein Geschenk des Aton.«
    Cheftu war sprachlos. Sie wollten ihn erblinden lassen? Wenn er noch länger zu ihnen aufstarrte, würde er ihnen diesen Wunsch erfüllen können, und zwar bald. Schweiß tröpfelte über Cheftus Rücken und ließ die Kleider an seiner Haut festkleben. »Deine Strafe ist, von nun an bis zu deiner Freilassung dem Aton zu huldigen. Solltest du deine Augen länger als für einen Moment schließen, werden wir sie dir wegnehmen. Nur die Blindheit bringt wahre Klarheit.«
    Süße Isis, dachte Cheftu. Hoffentlich hilft mir jemand hier heraus.
    Der Palast von Tsor stand auf einem wellenförmig erodierten Hügel und seine weißen Kuben waren durch Treppenfolgen miteinander verbunden. Oberhalb der unzähligen Gebäude befand sich ein riesiger Mosaikboden, der zeitweise überdacht war und zu anderen Zeiten unter freiem Himmel lag. Banner von einem so strahlenden Blau, dass die Augen davon schmerzten, wehten in den wilden Winden über den Mauerzinnen.
    Unter dem Boden, dessen eigenwillig gekachelte Figuren in einem zwölffach unterteilten Kreis angeordnet waren, befanden sich Kammern und Gänge, Treppenhäuser und Lichtschachte. Hier lebten Männer und Frauen; Frauen, die webten, und Männer, die segelten. Die unteren Ebenen waren in Audienzsäle und Versammlungsräume aufgeteilt. Abgesehen von eingebetteten Muscheln oder gleichmäßig aufgetragener Farbe waren die Wände schmucklos. Außerhalb der vielen bullig wirkenden Türen lagen Gärten, in denen dicht an dicht Zedern und Bougainvillea wuchsen. In den Gewässern hinter den Gärten ankerten dutzende, hunderte, manchmal sogar tausende Schiffe. Der Kai erstreckte sich über die

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