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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aufgesetzt, um ihr Leben und ihre Lebensweise zu verteidigen. Die Priesterinnen standen vermutlich zusammen mit allen anderen auf den Stadtmauern.
    Ich öffnete die Tür zu dem Zimmer, in dem Cheftu und ich uns geliebt hatten. Cheftu war immer noch dort, mit den Ohren an die Wand gekettet und zusammengekauert. Schlief er? War er tot?
    »Cheftu!«, rief ich und lief auf ihn zu. Seine Haut war warm, doch er lag in tiefer Bewusstlosigkeit. Hatte man ihm Drogen eingeflößt? Ich war rasend wütend auf Takala; bestimmt steckte sie dahinter! Ich kniete neben meinem Ehemann nieder und betrachtete sein Gesicht. Die Falten um seine Augen waren schärfer und tiefer eingekerbt. Seine Haut war so dunkel, dass man ihn für einen Indonesier halten konnte. Und diese Löcher
    - sie waren verheilt, aber immer noch so riesig, als hätte man sie mit einem Nagel oder einer Ahle durchstoßen. Instinktiv fasste ich an meine Ohren. Mein Gott, musste das wehgetan haben.
    Er würde noch Stunden bewusstlos bleiben.
    Ich ließ mich auf der Bettkante nieder. Der Schlachtenlärm war verstummt. Bald würde man das Lärmen der Invasion hören. Ich sah an mir herab und stellte fest, dass ich mit Blut überzogen war. Es lag wie Latex auf meiner Haut. Ich ließ den Kopf in die Hände sinken.
    Ich war für die Stadt verantwortlich. Wie hatte das geschehen können? Widerwillig zwang ich mich zum Aufstehen und ging durch die Tür in den Hauptraum.
    Tameras Gesicht war tränenfleckig; keuchend und schluchzend lag sie Dagon zu Füßen. Als sie mich sah, kreischte sie auf und warf sich sofort vor meinen Schwanz. »Du, meine Meeresherrin! Du bist alles, was uns bleibt! Takala-dagon ist tot. Wadia ist verloren -«
    »Er ist in Ashdod«, verbesserte ich.
    »Yamir-dagon wurde schon als Asche zum Himmel geschickt.«
    Ich brauchte einen Moment, um ihre Worte zu verarbeiten.
    »Er ist eingeäschert worden?«
    »So ist es bei uns Brauch, haDerkato«, erwiderte sie würdevoll.
    Ich nickte benommen. Mein Mund öffnete sich wie von selbst. »Was soll ich tun?« Scheiße! Ich wollte mich doch gar nicht einmischen! Wir standen als Verlierer der Mannschaft Gottes gegenüber! Doch Takala hatte ihre letzten Worte an mich gerichtet. Yamir hatte mich stets angelächelt, und Wadia war zu jung, um all das allein durchzustehen.
    »Die Hochländer werden uns bald ihre Bedingungen mittei-len«, meinte sie unter Tränen. »Sie lagern vor der Stadt, doch ich habe gehört, sie haben heute ihren heiligen Tag. Deshalb werden sie sich bis morgen Abend nicht vom Fleck rühren oder arbeiten oder kämpfen. Unsere Männer sind fast alle tot. Nur Frauen und Kinder sind noch in der Stadt.«
    »Wir haben noch einen Tag«, meinte ich.
    Sie versuchte zu lächeln.
    »Was habt ihr mit meinem Sklaven gemacht?«, fragte ich. Ich brauchte Cheftu - ich brauchte seinen Rat. Er konnte mir helfen herauszufinden, was wir überhaupt noch unternehmen konnten.
    »Er wird bald wieder aufwachen«, sagte sie.
    »Behandeln die Hochländer ihre Gefangenen gut?«
    Ich musste versuchen, mich an verschiedene Möglichkeiten heranzutasten. Ich war für eine ganze Stadt verantwortlich. Tameras Gesicht fiel in sich zusammen.
    »Das tun sie nicht, Meeresherrin.« Sie sagte es ganz leise und ergeben, und mir fiel mein Lexikon wieder ein.
    Hal und Herim. Ich schloss die Augen, denn die Welt wurde eine Sekunde lang weiß. »Sie machen keine Gefangenen«, erkannte ich und hoffte dabei im Stillen, sie würde mir nicht zustimmen.
    »Niemals, Meeresherrin.«
    Ich drehte mich unvermittelt um und starrte auf die nutzlose, armselig ausgebesserte Statue. Mir blieb keine Zeit zum Raten, weshalb ich hier war, ob durch Zufall oder aus Absicht, ob es ein - geschickt getarnter - Segen war oder eine Strafe. Jetzt war der Zeitpunkt zum Handeln gekommen.
    Schweigend stand ich da und starrte ins Leere. Draußen war es schwarz geworden. Die Nacht des Sabbats. Die Hochländer durchsangen sie mit einer geisterhaften Mollmelodie. Mein Atem hallte mir in den Ohren.
    Nach einer Weile hörte ich Geräusche aus dem Tempel: Cheftus Aufwachgeräusche. Ich rannte zurück und riss die Tür auf. »Mon Dieu! Du bist hier! Du lebst!«, sagte er und starrte mich dabei aus blutunterlaufenen Augen an.
    »Ja«, antwortete ich. »Wie kriege ich dich von der Wand los?«
    Er wandte den Kopf langsam zur Seite, bis er die Kette sah und sein Blick matt wurde. »Schneide sie durch.«
    Nach langer Suche quer durch den ganzen Tempel stieß ich auf zwei Priester, die

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