Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
sich in einer Kammer gemeinsam betranken, sowie in einem zweiten Raum auf einen Eisendolch. Ich hieb auf die Kette ein und richtete dabei meinen ganzen Zorn auf die Eisenglieder. Als Cheftu endlich befreit war, gab ich ihm etwas Brot und Wein und verwandte zwanzig Minuten sowie ein Wannenbad darauf, ihm zu versichern, dass ich nicht verletzt war und dass das Blut nicht von mir stammte.
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Was ist mit dir passiert?«
»Als ich aufgewacht bin, war ich angekettet«, antwortete er. »So wie mir der Schädel brummt, nehme ich an, dass sie mir ein Schlafmittel verabreicht haben.«
Ich seufzte, weil ich es nicht schaffte, die Bilder abzuschütteln, die ständig hinter meinen Lidern vorbeizogen, ob ich sie nun geschlossen hatte oder nicht.
»Die Pelesti sind die Philister.«
»Oui?«
»Die Hochländer, gegen die sie in die Schlacht ziehen und von denen sie eben abgeschlachtet wurden, sind die Juden. Die Israeliten.«
Cheftus Augen wurden groß.
»Aus der Heiligen Schrift?«, fragte er.
»Samson? Saul? David?«
Der Mann war ein wandelndes Bibellexikon. »Dadua ist David.«
»Wir leben in Daduas Zeit? Wir kennen dieses heilige Volk?« Sein Englisch klang ehrfurchtsvoll.
Für mich hatten diese Menschen nichts Heiliges.
Sie schlachteten ihre Gegner ab wie Metzger. Ich redete auf Englisch weiter. »Dumm ist nur, dass wir sie allzu gut kennen und dass wir auf der anderen Seite stehen. Die Königsfamilie ist ausgelöscht, und ich«, ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, »trage jetzt die Verantwortung.«
Er sah mir prüfend ins Gesicht, in die Augen. »Sie haben eine gute Wahl getroffen.«
Mir stiegen Tränen in die Augen. »Danke.«
»Wie kann ich dir beistehen?«, fragte er, nachdem er mich ein paar Atemzüge lang nur angestarrt hatte. Wie lebte meine Seele doch in seiner Nähe auf, selbst jetzt.
»Hast du irgendeine Ahnung, mit wem ich verhandeln werde?«
»Davids General war Joab«, antwortete er prompt. »Und Nathan war sein Prophet.«
»Wissen wir irgendwas über sie?«
Er runzelte die Stirn.
»Joab war offenbar ein Menschenschlächter. Blutrünstig. Er war Davids, wie sagt man, Hinrichter?«
»Henker.«
»Oui. Henker. Er hat für David all das erledigt, womit David sich nicht die Finger schmutzig machen wollte.«
»Und was ist mit Nathan?«
»Er war ein Prophet.«
»Noch etwas?«
»Ach, na ja. Nathan hat seine Prophezeiungen hin und wieder umgeworfen. Manchmal hat er sich korrigiert, auf Grund eines Traumes zum Beispiel. Er war kein besonders zuverlässiger Prophet.«
»Was erhofft sich Tamera deiner Meinung nach von meinem Eingreifen?«
Cheftu antwortete absolut tonlos: »Einen schmerzlosen, schnellen Tod.«
»Ist das dein Ernst, oder möchtest du mir nur Mut machen?«, fuhr ich ihn an. Es wurde bald hell; und ich bekam allmählich Todesangst. Das Leben dieser Menschen hing von mir ab.
»So steht es in der Bibel, allerdings gab es auch Zeiten, in denen es den Israeliten gestattet war, Beute zu machen«, führte er aus.
»Es geht also um Tod oder Sklaverei?«
Er nickte knapp.
»Heilige Scheiße«, flüsterte ich. Gleich darauf fragte ich: »Äh, was für verschiedene Todesarten gibt es? Ich meine, haben sie Erschießungskommandos? Würden sie uns unter einem Pfeilhagel begraben?«
Er stand auf und ging ärgerlich im Raum auf und ab.
»Woher soll ich das wissen, Chloe? Als ich die Bibel gelesen habe, stand mir dabei nicht vor Augen, was für abenteuerliche und grausame Methoden das Volk Gottes bei der Hinrichtung seiner Feinde anwandte! Wieso bist du so morbid, so auf Einzelheiten versessen?«
Ich merkte, wie mich sein Ausbruch in Rage brachte.
»Ich habe nur versucht, mir ein Bild zu machen«, verteidigte ich mich. »Schließlich musst nicht du um das Leben dieser Menschen feilschen. Schließlich musst nicht du wissen, welcher von beiden Wegen der qualvollere oder weniger qualvolle ist. Ich kann nicht mal um ein Paar Sandalen feilschen!« Plötzlich sackte die ganze Last auf mich herab. »Hier geht es um das Leben dieser Menschen! Und es ruht auf meinen Schultern!«
»Ach, chérie«, sagte er zerknirscht, dann umarmte er mich und strich über mein windzerzaustes Haar. Er zog mich an seine Brust, sodass ich seine Worte gleichzeitig spürte und hörte. »Fürchtest du dich?«
»Ich sterbe vor Angst. Und du?«
Er brauchte einen Moment, ehe er mir antwortete, darum schloss ich die Augen und gab mich ganz dem Gefühl seiner Finger hin, die durch
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