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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Zeitspanne wie eine Stunde hatten. Mattes Licht fiel auf die Decken über seinen Waden. Sein Haar war deutlich gewachsen, und er war zu der Überzeugung gelangt, dass die Hochländer Bärte trugen, weil ihre Bronzeklingen zu stumpf zum Rasieren waren. Alle Versuche, die Stoppeln an seinem Kinn zu entfernen, hatten ihm nichts als verschorfte Kratzer eingebracht.
    »Bist du fertig mit Nachdenken?«, flüsterte er.
    »Woher hast du gewusst, dass ich nachdenke?«, flüsterte ich zurück. Ich hatte geglaubt, er sei eingeschlafen.
    »Du runzelst die Stirn.«
    Ach, das hatte ich gar nicht gemerkt.
    »Komm ins Bett, Geliebte, lass mich deine Falten glätten.« Noch im Sprechen beugte er sich vor, auf einen Arm gestützt und verschlafen blinzelnd.
    »Er hat seine Männer zu einem Wettstreit um die Eroberung von Jebus aufgerufen«, meinte ich und löste dabei meine Schärpe. »Löscht David Jebus schon jetzt aus? Ich weiß, dass es ihm irgendwann gelingt.«
    »Woher weißt du das?« David schlug die Decke für mich zurück.
    »Weil man Jerusalem auch die Stadt Davids nennt . « Ich verstummte und schlüpfte aus meinen Sandalen. »Es sei denn, damit ist Bethlehem gemeint.«
    Er lachte leise. »Jebus ist ebenfalls die Stadt Davids.«
    Ich löste mein Haar und fuhr mit den Fingern hindurch, um wenigstens die dicksten Knoten zu entwirren. »Wieso sind wir in dieser Epoche gelandet?«, fragte ich. »Ich bin nur deinetwegen zurückgekommen. Wir befinden uns an einem Wendepunkt der Geschichte, Cheftu. Nicht irgendwo im Dunkel der Vergangenheit oder auf einer Insel, die von den meisten Menschen für eine Sage gehalten wird. Wir durchleben einen Abschnitt der Geschichte, auf dem die gesamte westliche Zivilisation beruhen wird.« Ich hörte das Beben in meiner Stimme; ich war total aufgedreht. Meine Ergriffenheit war mir so peinlich, dass ich mich wegdrehte.
    Während ich das Kleid über den Kopf zog, spürte ich plötzlich Cheftu an meinem Rücken, die schläfrige Wärme seines Leibes an meiner nachtkühlen Haut. Seine Arme umschlangen mich und zogen mich in den sicheren Kokon seiner Wärme. Wir waren fast gleich groß, sodass wir Wange an Wange in der Dämmerung standen.
    »Erzähl es mir«, sagte er. »Wovor hast du Angst?« Ich spürte seine Worte an meinem Hals.
    »All das geschieht wirklich«, antwortete ich. »Was tun wir hier? Und was passiert, wenn wir Mist bauen?«
    Er küsste mich auf die Schulter, hob mich dann auf und trug mich auf die Strohmatte. Sein Leib folgte meinem, doch gerade als ich den vertrauten Hitzeschub spürte, der allein durch den
    Gedanken, mit ihm zusammen zu sein, ausgelöst wurde, sagte er: »Was können wir denn falsch machen?«
    Statt die Millionen möglicher Fehler aufzuzählen, die ich mir ausmalen konnte, zog ich ihn in mich. Sein Mund war heiß und süß und sein Leib wie mit meinem verwachsen. »Sieh mich an, bene «, sagte er. »Was können wir denn falsch machen? Du klingst, als sei die Geschichte für dich wie in Stein gemeißelt.«
    »Ist sie das denn nicht?«
    »Geschichte besteht aus Alltäglichkeiten, Geliebte. Die Geschichte eines Volkes, das sind zwei Menschen, die sich lieben, die eine Familie gründen, die miteinander lachen und weinen. Erst wenn diese zwei Menschen zu Staub zerfallen sind und ihre Kindeskinder einander lieben und Familien gründen, wird man wissen, welchen Verlauf die Geschichte genommen hat.«
    »Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich liebe«, flüsterte ich. Ich hob die Hüften an, um besser zu spüren, wie er in mich drang. Was für ein Wunder, derart miteinander verbunden zu sein. Was für einen befreienden Paradigmenwandel er da andeutete.
    »Wie die Geschichte aussieht, hängt vom Blickwinkel ab«, hauchte er gegen meine Haut. Seine Pupillen waren riesig. Ich umklammerte ihn mit Armen und Beinen, während Tränen aus meinen Augenwinkeln sickerten. Für mich war das wie ein Gebet.
    Cheftu zog meine Arme nach oben und hielt mich fest, so-dass ich ihn anschauen musste. »Sieh mich an, Geliebte. Wir sind Geschichte. Gott hat uns hierher geschickt, und nur er allein weiß warum. Aber«, damit stieß er tiefer vor, »wir werden es erfahren. Wenn die Zeit verstrichen und zur Geschichte geworden ist.«
    Ich streckte den Kopf hoch und leckte einen Schweißtropfen von seinem Kinn. »Also machen wir gerade Geschichte?«
    »Lo«, widersprach er mit einem atemberaubenden Lächeln. »Wir machen gerade Eiscreme.« Dann begann er mich zu schmelzen, mich zu verhärten, mich

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