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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Becher mit dem gewässerten Wein nicht leer wurden. Den großen Krug mit den zwei Henkeln auf der Schulter balancierend, ging ich von einem zur anderen und schätzte den Pegel in den Bechern ab. Shana erklärte uns, dass Dadua und seine Privatarmee heute Abend von der zweiten Gemahlin des Königs, nämlich von G ’vret - was »Herrin« bedeutete - Ahino’am bedient würden, wobei ihr seine Konkubinen zur Hand gingen.
    Dies also waren die zuvor erwähnten herumschwebenden Frauen. Wobei auf einen Mann mindestens zwölf Frauen kamen.
    Ich erspähte einen leeren Becher und schlängelte mich durch die Menge, ganz darauf konzentriert, Daduas Konkubinen auszuweichen und nichts zu verschütten. Eine weibliche Gibor hielt ihren Becher hoch, ohne mich auch nur anzusehen.
    Jetzt würde ich zum ersten Mal vor Publikum einschenken.
    Aus Angst, etwas zu verschütten, kippte ich den Krug ganz vorsichtig an, bis ich merkte, wie sich das Gewicht des Weines darin verschob. Ich hatte meine Bewegungen genau synchronisiert. Ein Strahl ergoss sich über meine Schulter in ihren Becher. Sobald er voll war, drehte ich den Krug, damit der letzte Tropfen am Rand entlang und schließlich wieder in den Krug zurück lief.
    Kein Wort des Dankes und erst recht kein Trinkgeld. Ich hob den Kopf und hielt nach dem nächsten leeren Becher Ausschau. Als ich den Raum in entgegengesetzter Richtung durchquerte, fiel mir auf, dass es still geworden war. Sogar die Musik war verstummt. Ganz langsam drehte ich mich um, damit der Krug nicht aus der Balance geriet.
    Nur weil ich dabei die Zähne zusammenbeißen musste, blieb mir nicht der Mund offen stehen. Drei Menschen waren auf dem Fest erschienen. Der Erste war Yoav, äußerst eindrucksvoll in seiner langen, fransenbesetzten und bei jeder Bewegung aufglänzenden Robe. An seiner Seite ging eine dunkle, zierliche Frau, die ganz in Blau gekleidet war und einen milchigen Edelstein von der Größe eines Baseballs am Handgelenk trug.
    Der Dritte war in ein langes, einärmliges Gewand gehüllt, doch seine Kleidung verblasste angesichts seiner Schönheit zur Bedeutungslosigkeit. Mahagonibraunes Haar kringelte sich rotschimmernd über seine Schultern. Schwarze Augen glänzten unter rötlichen Brauen hervor. Sein überraschend weißes Lächeln war von einem rötlichen Kinnbart, Schnurrbart und Schläfenlocken umrahmt, die ihm fast bis zur Taille reichten. Er wirkte wie ein mythologischer Held aus einem Gemälde Dante Rossettis, des präraffaelitischen Malers aus dem neunzehnten Jahrhundert.
    Er hob eine Hand und bat um Shadays Segen, womit er mir eine halbe Herzattacke bescherte. Das also war Dadua? Ich drehte mich zu Cheftu um und fing quer durch den Raum seinen Blick auf. Bildete ich mir das nur ein, oder war er genauso geschockt wie ich?
    Als das Gebet gesprochen war, begann die Feier. Nachdem meine Kost sich in der letzten Zeit ausschließlich auf Getreide, abwechselnd mit Meeresfrüchten oder Feigen, beschränkt hatte, bereitete es mir Tantalusqualen, anzusehen, welche Vielfalt an Speisen diese Menschen verzehrten. Erst gab es eine Jogurtsuppe mit Rosinen und Getreidegarnierung, dann Fleisch: Lamm, Geflügel und Fisch. Mit Öl und Kräutern aromatisierte Gerste lag hoch aufgetürmt auf kupfernen Platten. Und zu allem gab es Brot, tonnenweise Brot.
    Sie brauchten eine Menge Wein, darum war ich ununterbrochen unterwegs, immer bemüht, nichts zu verschütten, und ständig durch die Menge wandelnd, elegant und schnell, damit niemand mich herbeirief: »Sklavin!«
    Schließlich wurden die Teller abgeräumt, die Becher leerten sich langsamer, und die Menschen wurden ruhiger. Dadua griff nach einem Kinor.
    Ich konnte nicht fassen, dass ich hier war.
    Stille senkte sich über die Gäste. Er spannte ein paar Mal die Finger an und strich dann über die Saiten, um den Klang zu testen.
    Wer kann auf dem Berge Shadays stehen? Wer kann auf Seinem heiligen Hügel wohnen?
    Gehet aufrecht, doch geht nicht vom rechten Wege ab, sprecht, wie euer Herz befiehlt.
    Schmähet keinen, nicht eines seiner Glieder.
    Arbeitet Hand in Hand mit eurem Nächsten, erhebt eure Stammesbrüder.
    Verachtet alle, die Shaday fluchen, und ehret jene, die an Ihn glauben.
    Achtet die Wahrheit selbst im Schmerz, und gebt von ganzem Herzen.
    Ihr sollt auferstehen und durch Shadays heilige Hallen wandeln.
    Es war eine eingängige Melodie, ein richtiger Ohrwurm. Noch während der letzte Ton verhallte, sah ich auf die Giborim. Auf allen Wangen glänzten

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