Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
Pelesti, wie man Brot bäckt.«
Sie verschwand, und ‘Sheva kehrte zurück.
Wären wir in einem Kurs in antiker Hauswirtschaftskunde gewesen, wäre ich durchgefallen. Die erste Ladung war so grob, dass ich sie ein zweites Mal mahlen musste. Danach war sie zu fein, eher wie Staub als wie Mehl. Sie sah wie das Zeug aus, mit dem Mimi immer gebacken hatte, doch da ich nicht wusste, was nach dem Mahlen kommen würde, schwieg ich. Shana hatte es aufgegeben, mich anzuschreien. Sie seufzte nur noch vielsagend und schüttete dann neues Getreide nach, damit ich einen zweiten Versuch starten konnte.
Bis zum Mittagessen hatte ich drei Maß zusammen. Da ich mit der Arbeit hinterherhinkte, musste ich durcharbeiten statt zu essen. ‘Sheva schüttete mechanisch Getreide ins Loch und bohrte gleichzeitig in der Nase. Ich behielt ihre zwei Hände ununterbrochen im Blick, um sicherzustellen, dass sie die
Schütthand nicht mit der Popelhand verwechselte.
Mein Rücken tat mir weh, meine Beine taten mir weh, und mein Hintern tat mir erst recht weh. Die Arbeit erinnerte mich an meine Kindheit, als ich auf dem Spielplatzkarussell saß und mich selbst im Sitzen anschubste. Nur dass Stein auf Stein sich nicht so leicht anschubsen ließ.
Zum ersten Mal bedauerte ich wirklich, dass ich keine Priesterin oder Prinzessin oder Prophetin mehr war. Mein Gott, selbst als Nixe war das Leben besser gewesen! Das hier war die reine Schinderei.
Bis zur Abenddämmerung konnte ich mich kaum mehr rühren. Shana seufzte, schickte mich aber dennoch fort. Ich durchquerte den Weinberg und erklomm langsam eine Stufe nach der anderen. Unser Zimmer war finster und leer. Ich fiel bäuchlings auf die Strohmatte.
Später weckte Cheftu mich auf. Ich meine mich zu entsinnen, dass er mit mir zu reden versuchte, aber ich schlief immer wieder darüber ein.
Ich erwachte im Morgengrauen vom Krähen des Hahnes. Und ich fühlte mich, als hätte ich selbst unter dem Mühlstein gelegen. Cheftu war bereits verschwunden.
Da ich in meinem einzigen Gewand erst Getreide gemahlen und dann geschlafen hatte, schlüpfte ich in mein altes Kleid und humpelte los durch den Weingarten. In der Ferne konnte ich bereits die Männer auf den Gerstefeldern arbeiten sehen. Manche schnitten Getreide, andere trennten die Spreu vom Korn, indem sie es in die Luft warfen, wieder andere standen nur dabei. Cheftu konnte ich aus dieser Distanz nicht ausmachen.
Bis zum Mittag hatte ich etwa fünf Maß gemahlen. Shana ließ mich etwas essen und schickte mich dann wieder an die Arbeit. Cheftu kam erst spät heim, verschwitzt und müde, und wir lagen nebeneinander auf der Strohmatte, zu erschöpft, um auch nur zu essen.
Bis zum Wochenende waren wir jedoch in weitaus besserer Verfassung. Tatsächlich führten wir ein so unabhängiges Leben, dass wir uns, abgesehen von den Ketten, beinahe frei fühlten. Auch wenn Cheftu bis zur Erschöpfung arbeiten musste, beklagte er sich nie. Er meinte, es sei eine interessante Abwechslung zu seiner Arbeit als Arzt. Der Kommentar befremdete mich, doch ich fragte nicht weiter nach. Er brachte mir ein Lied bei, das sie auf den Gerstefeldern sangen, einen swingenden Bauernalmanach.
»Zwei Monate für die Olivenernte; zwei Monate für die Getreidesaat. Dann zwei Monate für die Spätaussaat. Der Monat des Flachshechelns, ein Monat zur Getreideernte. Dann zwei Monate für die Pflege des Weinstocks und einen Monat für die Früchte des Sommers.«
Israel war ein anstrengendes Land, in dem jeder schwer zu schuften hatte, doch die Menschen verrichteten ihre Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Lied auf den Lippen. Wir konnten sie sogar im Palasthof singen hören, während wir dafür dankten, verhätschelte Palastsklaven zu sein.
»Singet mit Freuden Shaday euer Lied, denn es gebühret dem Volk, ihn zu preisen. Preist ihn mit Harfen, stimmet mit ein in den Klang des Kinor, singt ihm ein neues Lied. Spielt mit all eurer Kunst und singet laut vor Freuden.
Denn aus den Himmeln blickt el haShaday herab und sieht auf alle Erdenbewohner. Aus seiner Wohnstatt sieht er alle, die auf Erden leben. Er, der die Herzen aller formt, der alles bedenkt, was ein jeder tut.«
Die Gerstefelder wurden als Daduas Eigentum betrachtet, das haMelekh aber natürlich nicht eigenhändig bestellte. Bei der Ernte bewegten sich die Schnitter im Kreis wie Ochsen, die an einen Pfosten in der Mitte angebunden sind. Die Felder waren quadratisch - aber sie ernteten einen perfekten Kreis ab. Ich
Weitere Kostenlose Bücher