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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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statt von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern.«
    »Wie kannst du nur so selbstgefällig sein?«, fragte ich.
    Er zuckte mit den Achseln, in jener gallischen Geste, die mein Blut zum Rasen brachte. »Ist es selbstgefällig, zufrieden
    zu sein?«
    Ich stand auf und marschierte auf und ab. Ich war zwar müde, doch ich konnte keine Ruhe finden. »Glaubst du denn nicht, dass wir hier einen ganz bestimmten Zweck erfüllen sollten? Du bist Arzt, Herrgott noch mal!«
    »Welchen Zweck hat das Leben? Die Liebe? Unser tägliches Dasein?«, fragte er, ohne auf meine letzte Bemerkung einzugehen. »All das ist reiner Selbstzweck«, antwortete er selbst. »Es ist Frage und Antwort zugleich.«
    »Ich finde es schrecklich, wenn du mir diese esoterischen Antworten gibst«, sagte ich. »Ich fühle mich dann immer so jung und ...« Ich suchte nach dem richtigen Wort.
    »Idealistisch?«, schlug er auf Englisch vor.
    »Ich meine, wieso sind wir hier?«
    Er setzte sich auf, zog die Decke zurecht und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Du hast behauptet, du seist nur meinetwegen zurückgekommen.«
    »Bin ich auch!«
    »Doch ich allein bin dir nicht genug?«
    Ich stockte, ehe ich begriff, dass er mich auf den Arm nahm.
    »Ach, vergiss es.« Plötzlich war ich das Thema leid. »Heute Abend findet eine Hochzeitsfeier statt. Daduas erste Frau ist zurückgekehrt. Aus irgendwelchen politischen Gründen erneuern sie ihr Ehegelübde oder heiraten ein zweites Mal oder so.«
    »Chérie, ganz gleich, wann man lebt, eines ändert sich nie. Erst in den Büchern erscheint uns die Geschichte so, als würde sie sich in jedem Augenblick ereignen. In Wahrheit führen wir einfach unser Leben, ob nun unter der Herrschaft Pharaos und an seinem Hof oder unter der Herrschaft Davids und auf den Feldern.«
    Während er das sagte, spritzte ich mir etwas Wasser ins Gesicht und flocht meine Zöpfe neu. »Also, ich begebe mich dann wieder unter die Herrschaft Shanas und in die Küche«, verabschiedete ich mich im Hinausgehen.
    Im Palast herrschte eine Atmosphäre gezwungener Fröhlichkeit. Kinder, die man für die Erneuerung des Ehegelübdes ihres Vaters herausgeputzt hatte, rasten treppauf und treppab. Ganz oben auf dem Treppenabsatz stand Shana und bewachte das geschmückte Flachdach.
    »Du!«, fuhr sie mich an. »Du passt auf, dass keiner vor dem Fest hier heraufkommt.«
    Also spielte ich die Türsteherin, verscheuchte die Kinder und ließ die Erwachsenen ein. G’vret Avgay’el durfte das Festmahl zu Ehren ihres Gemahls und seiner ersten Frau zubereiten. Das musste ihr ziemlich stinken.
    Doch auch wenn die andere Frau ihre Rivalin war, sie trug ein eindrucksvolles Menü auf. Getreide in fünferlei Zubereitung, gedämpftes, gefülltes, gestampftes Obst, geröstetes Wurzelgemüse und eine Platte mit dunklem, fasrigem Fleisch zogen an mir vorbei. Als die Familie eintrudelte, knurrte mein Magen bereits vernehmlich. Das war das Verblüffende an dem heutigen Essen: Alle Familienmitglieder nahmen daran teil, Kinder und Ehefrauen eingeschlossen.
    Es war eine fröhliche Runde, die Yeladim sangen und rannten herum, die Frauen lachten und plauderten, während Dadua am Kopfende thronte und mit den verschiedenen Männern, die ebenfalls zu seinem Haushalt gehörten, Freundlichkeiten austauschte. Mik’el saß, immer noch mit ihrem Taschengeld beladen, reglos und aufregend wie eine Statue neben ihm.
    Eigentlich tat ich ihr damit Unrecht. Eine Statue konnte durchaus aufregend sein. Gegen Mik’el jedoch wirkte sogar meine Transuse lebendig.
    Als der Mond aufging, verlangten die Männer nach einer Geschichte. Dadua, der seine Braut den ganzen Abend kaum angesehen hatte, stimmte begeistert zu. Avgay’el als beste Geschichtenerzählerin wurde bedrängt, eine zu erzählen.
    Mit charmantem Zögern begann sie: »Beresheth ...«
    Schon ihr erstes Wort ließ mir den Atem stocken.
    Mein Lexikon übersetzte, stockte und übersetzte erneut: »Am Anfang ...«
    »...schuf Yahwe die Sonne, den Mond und die Sterne mit Seinem Wort. Wie eine Zeltstatt breitete Er die Himmel über die Tiefe und schuf über den Höheren Wassern ein Heim für Seinen Hofstaat, die Elohim.« Avgay’el demonstrierte mit einer graziösen Geste, wie Gott über dem Rest des Planeten lebte.
    »Sehet nun: Denn durch seine Schöpfung erhob sich Yahwe über die Tiefe, die darum gegen ihn aufbegehrte. Tehom, die dunkle Königin der Tiefe, suchte Yahwes Schöpfung zu ertränken, doch Er ritt in einem

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