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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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zurückgekehrt sein. Da war er nicht. Wir gingen noch einmal mit Fackeln zurück; denn ich fand keine Ruhe bei dem Gedanken, daß mein süßer Junge sich verirrt hatte und der feuchten Luft und dem Tau der Nacht ausgesetzt war. Auch Elisabeth ängstigte sich sehr. Gegen fünf Uhr morgens fand ich meinen liebsten Jungen, den ich noch am Abend blühend und lebendig bei voller Gesundheit gesehen hatte, bleich und reglos im Gras liegen: am Hals hatte er den Abdruck der Finger des Mörders. Man brachte ihn heim, und der Schmerz, der sich auf meinem Gesicht abzeichnete, verriet Elisabeth alles. Sie beharrte darauf, die Leiche zu sehen. Zunächst versuchte ich, sie davon abzuhalten; doch sie bestand darauf, und als sie in das Zimmer trat, wo er lag, untersuchte sie hastig den Hals des Opfers, krampfte die Hände zusammen und rief: ›O Gott! Ich habe meinen Liebling ermordet!‹
Sie verlor das Bewußtsein und konnte nur unter äußersten Mühen wiederbelebt werden. Als sie wieder zu sich gekommen war, konnte sie nur weinen und seufzen. Sie sagte mir, an eben diesem Abend habe Wilhelm sie gebeten und gedrängt, ihn eine sehr wertvolle Miniatur Deiner Mutter tragen zu lassen, die sich in ihrem Besitz befand. Dieses Bild ist fort und war es zweifellos, was den Mörder verlockt und zu der Tat getrieben hatte. Wir haben derzeit keine Spur von ihm, jedoch lassen wir in unseren Anstrengungen, ihn zu entdecken, nicht nach. Aber meinen geliebten Wilhelm geben sie mir nicht wieder!
Komm, liebster Viktor, Du allein kannst Elisabeth trösten. Sie weint immerzu und klagt sich fälschlich an, die Ursache seines Todes zu sein. Ihre Worte durchbohren mir das Herz. Wir sind alle unglücklich, aber ist das für Dich, mein Sohn, nicht ein Beweggrund mehr, zurückzukehren und uns zu trösten? Deine liebe Mutter! Ach, Viktor! Jetzt sage ich, Gott sei Dank, daß sie den elenden und grausamen Tod ihres jüngsten Lieblings nicht mehr erleben mußte.
Komm, Viktor, und brüte nicht über Rachegedanken gegen den Mörder, sondern komm mit friedvollen, nachsichtigen Gefühlen, die die Wunden unserer Seele heilen und nicht weiterschwären lassen. Tritt in das Trauerhaus ein, mein Freund, jedoch mit Güte und Zuneigung für die, die Dich lieben, und nicht mit Haß auf Deine Feinde.
Dein Dich liebender, leidgeprüfter Vater
Alfons Frankenstein.« Genf, 12. Mai 17.
    Clerval, der mein Gesicht beobachtet hatte, während ich diesen Brief las, war überrascht von der Wahrnehmung, daß tiefe Trauer der zunächst offenbarten Beglückung folgte, nachdem ich die Nachricht von meinen Freunden erhalten hatte. Ich warf den Brief auf den Tisch und schlug mir die Hände vors Gesicht.
    »Mein lieber Frankenstein«, rief Henri, als er mich bitterlich weinen sah, »sollst du denn immer unglücklich sein? Lieber Freund, was ist geschehen?«.
    Ich bedeutete ihm, den Brief zu nehmen, während ich in äußerster Erregung das Zimmer durchmaß. Auch Clerval stürzten die Tränen aus den Augen, als er die Nachricht von meinem Unglück las.
    »Ich kann dir keinen Trost bieten, mein Freund«, sagte er, »das Unheil ist nicht wiedergutzumachen. Was hast du vor?«
»Sofort nach Genf zu reisen: komm mit, Henri, die Pferde bestellen.«
Unterwegs bemühte sich Clerval um ein paar Trostworte; er konnte nur seine tiefempfundene Anteilnahme aussprechen. »Der arme Wilhelm!« sagte er. »Das liebe, schöne Kind, es schläft jetzt bei dem Engel, der seine Mutter war! Wer ihn aufgeweckt und fröhlich in seiner jugendlichen Schönheit gesehen hat, muß sein frühes Hinscheiden beweinen! So jämmerlich zu sterben; den Griff des Mörders zu spüren! Wieviel schlimmer ist ein Mörder, der eine so strahlende Unschuld vernichten konnte! Armer kleiner Kerl! Nur einen Trost haben wir: seine Freunde trauern und weinen, aber er hat Ruhe gefunden. Die Todesangst ist vorbei, seine Leiden sind für immer zu Ende. Ein Rasenstück bedeckt seine liebe Gestalt, und er kennt keinen Schmerz mehr. Er braucht unser Mitleid nicht mehr. Das müssen wir für seine unglücklichen Hinterbliebenen aufsparen.«
So sprach Clerval, während wir durch die Straßen eilten. Die Worte prägten sich meinem Gedächtnis ein, und ich erinnerte mich später daran, als ich allein war. Doch jetzt, kaum trafen die Pferde ein, stieg ich eilig in die leichte Kutsche und sagte meinem Freund Lebewohl.
Meine Reise verlief sehr trübsinnig. Anfangs wollte ich so rasch wie möglich vorankommen, denn ich verlangte danach, meine geliebten

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