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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Und wenn sie sich zu verschiedenen Tätigkeiten zerstreut hatten, schlief ich. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, meine Freunde zu beobachten. Wenn sie sich schlafen gelegt hatten und der Mond schien oder die Nacht sternenhell war, ging ich in den Wald und sammelte Nahrung für mich und Brennholz für die Kate. Kam ich zurück, fegte ich, so oft es nötig war, den Schnee vom Weg und erledigte die Arbeiten, die ich bei Felix gesehen hatte. Später erfuhr ich, daß diese von einer unsichtbaren Hand ausgeführten Dienste sie gewaltig verwunderten. Und ein- oder zweimal hörte ich sie bei solchen Anlässen die Worte guter Geist, wundersam äußern. Aber damals verstand ich den Sinn dieser Ausdrücke noch nicht.
    Mein Denken wurde jetzt lebhafter, und ich sehnte mich danach, etwas über die Beweggründe und Gefühle dieser bezaubernden Menschen zu erfahren. Ich war wißbegierig, warum Felix so unglücklich wirkte und Agathe so traurig. Ich dachte (dummer Tölpel!), womöglich liege es in meiner Macht, diesen rechtschaffenen Leuten das Glück wiederzuschenken. Wenn ich schlief oder unterwegs war, huschten mir die Gestalten des ehrwürdigen blinden Vaters, der sanften Agathe und des wackeren Felix durch den Kopf. Ich betrachtete sie als höhere Wesen, die über mein zukünftiges Schicksal entscheiden würden. In meiner Phantasie schuf ich mir tausend Bilder, wie ich mich ihnen vorstellen und wie sie mich empfangen würden. Ich malte mir aus, wie ich trotz ihres anfänglichen Abscheus durch mein sanftes Wesen und meine einnehmenden Worte zunächst ihre Gunst und später ihre Liebe gewinnen würde.
    Diese Gedanken beschwingten mich und spornten mich an, mit frischem Eifer die Kunst der Sprache zu erlernen. Mein Organ war freilich rauh, aber geschmeidig. Und war meine Stimme auch der sanften Musik ihrer Laute sehr unähnlich, so sprach ich doch diejenigen Worte, die ich verstand, mit hinreichender Leichtigkeit aus. Es war wie mit dem Esel und dem Schoßhund. Doch hätte der wohlmeinende Esel, der es liebevoll meinte, trotz seines ungehobelten Benehmens gewiß eine bessere Behandlung verdient als Prügel und Beschimpfungen.
    Die freundlichen Schauer und die milde Wärme des Frühlings wandelten den Anblick der Erde gewaltig. Die Menschen, die sich vor dieser Veränderung anscheinend in Höhlen versteckt gehalten hatten, schwärmten aus und waren mit verschiedenen Fertigkeiten des Ackerbaus beschäftigt. Die Vögel sangen in fröhlicheren Tönen, und an den Bäumen begann das Laub zu sprießen. Glückliche, glückliche Erde! Würdiger Wohnsitz für Götter, und war doch noch vor so kurzer Zeit öde, feucht und unzuträglich. Der bezaubernde Anblick der Natur hob meine Lebensgeister. Die Vergangenheit erlosch in meiner Erinnerung, die Gegenwart war friedlich, und helle Hoffnungsstrahlen und Vorahnungen von Glück vergoldeten die Zukunft.

Dreizehntes Kapitel
    Nun aber will ich schnell zum bewegenderen Teil meiner Geschichte kommen. Die Ereignisse, von denen ich erzählen werde, erfüllten mich mit Gefühlen, die mich aus dem, der ich war, zu dem gemacht haben, der ich bin.
    Der Frühling machte rasche Fortschritte. Das Wetter wurde schön und der Himmel wolkenlos. Es überraschte mich, daß alles, was vorher öde und düster gewesen war, jetzt im herrlichsten Blütenschmuck und Grün prangen konnte. Tausend wonnige Düfte, tausend schöne Bilder erfreuten und erquickten meine Sinne.
    An einem der regelmäßig wiederkehrenden Tage, wenn sich meine Häusler von der schweren Arbeit erholten – der alte Mann spielte auf seiner Gitarre, und die Kinder hörten ihm zu –, beobachtete ich bei Felix einen unaussprechlich schwermütigen Ausdruck; er seufzte oft; und einmal unterbrach sein Vater die Musik, und aus seinem Verhalten reimte ich mir zusammen, daß er nach dem Grund für den Kummer seines Sohnes fragte. Felix antwortete in heiterem Ton, und der alte Mann fing gerade wieder an zu spielen, als es an die Tür klopfte.
    Es war eine Dame zu Pferd, die ein Landmann als Führer begleitete. Die Dame war in ein dunkles Gewand gekleidet und mit einem dichten schwarzen Schleier verhüllt. Agathe stellte eine Frage, worauf die Fremde nur antwortete, in dem sie mit lieblichem Ton den Namen Felix aussprach. Ihre Stimme war melodisch, aber der meiner Freunde unähnlich. Als Felix dieses Wort vernahm, trat er hastig zu der Dame. Kaum erblickte sie ihn, hob sie den Schleier, und ich sah ein Antlitz von engelgleicher Schönheit und Miene.

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